Die 23. Welle mit Alex Capus
Willkommen bei der 23. Ausgabe der GlockenbachWelle.
Wünschen wir uns nicht alle manchmal einen Ort, an dem wir dem Alltag entfliehen können? An dem wir die Seele baumeln lassen, unseren Gedanken nachhängen und zu uns selbst finden können? In dieser Ausgabe entführen wir euch an einen solchen Ort. Um genau zu sein ist es ein kleines Haus am Sonnenhang eines Weinbergs. Es ist ein Kleinod im Piemont, das unserem Gast für mehrere Jahre als Rückzugsort gedient hat.
Der Schriftsteller Alex Capus hat hier seine Zeit verbracht, alleine, mit seiner Familie und Freunden und geschrieben. Einige seiner Werke sind hier entstanden. Geschichten, die vom Leben schreiben. In seiner kürzlich erschienenen Geschichte dürfen wir ihn genau an diesen Ort begleiten, in „Das kleine Haus am Sonnenhang“.
Eine Buchhändlerin, ein Autor und eine Bloggerin im Gespräch für Literatur Radio Hörbahn
Der Ort: Die Glockenbachbuchhandlung in München
Die Runde: Die Gastgeberin und Inhaberin der Glockenbachbuchhandlung Pamela Scholz, Autor Alex Capus und meine Wenigkeit
Worum geht es in dieser Folge?
Wir holen uns ein wenig Dolce Vita in das wechselhafte Deutschland, sanft serviert mit einem Schweizer Akzent, und dürfen einen Einblick in das Leben und Wirken eines Autoren erhaschen, der es wie kein anderer oder keine andere schafft, die Geschichten in seinen Büchern im Kopf der Lesenden lebendig werden zu lassen. Der genauso geerdet und bescheiden schreibt wie er als Person auftritt und genau deswegen mächtig Eindruck hinterlässt. Gemeinsam tauchen wir ins sein neues Buch ein und statten dem kleinen Haus am Sonnenhang einen kleinen Besuch ab.
„Das kleine Haus am Sonnenhang“ – Alex Capus
Carl Hanser Verlag, erschienen am 29. Januar 2024, Preis 22,00 € [D], gebundene Ausgabe, 160 Seiten, ISBN: 978-3446279414, hier geht’s zum Buch
„So bedient sich jeder, der eine Geschichte schreibt, aus dem Fundus seiner Seele, den er angehäuft hat mit Dingen, die er erlebt oder gesehen, gehört oder gelesen oder sonst wie erfahren hat. […] Man holt sich seine Mosaiksteine immer aus dem Steinbruch der Vergangenheit, niemand schöpft beim Erzählen aus der leeren Luft.“
An einem sonnigen Ostersonntag saß ich im Garten und genoss die letzten Zeilen von Alex Capus‘ Geschichte über sein Kleinod in Italien, einem kleinen Haus am Sonnenhang eines Weinbergs, wo der Autor sich regelmäßig einnistete, seinen Gedanken nachhing, Zeit mit der Familie und mit Freunden verbrachte, an Geschichten schrieb und sich an der Beständigkeit der Dinge erfreute: Am Blick über das nebelumwobene Tal, den Spaghetti al Aglio, der Lektüre neben dem knisternden Kachelofen, den Besuchen in Pierluigis Bar und seinen eigentümlichen Stammgästen oder dem Getrippel des tanzenden Siebenschläfers unter dem Dach seines Hauses. Bis Capus eines Tages den Koller kriegt, den verflixten Siebenschläfer loswerden muss und ihm die Kälte des einsetzenden Schnees so sehr in die Knochen kriecht, dass es Zeit wird zu neuen Abenteuern aufzubrechen und die Monotonie hinter sich zu lassen.
Capus‘ Zeilen sind wie Balsam für die Seele. Sie sind unaufgeregt, aber auch wunderbar ehrlich, reflektiert und charmant. Es ist einfach bewundernswert, wie sehr dieser Autor in sich ruht, wie genügsam und geerdet er ist. Durch seine Geschichte lässt er uns nicht nur an den Momentaufnahmen eines italienischen Dorfes, sondern auch einen seinen Gedanken über Gott und die Welt teilhaben, die sich zu einem großen Teil ums Schreiben drehen, um seine Quelle der Inspiration, dem Ursprung von Geschichten, der vermeintlichen Raffinesse von Werken und der Liebe zur Literatur.
Der Verlag bezeichnet „Das kleine Haus am Sonnenhang“ als kleine Philosophie der Gelassenheit und des stillen Glücks und genau das gibt uns Capus tatsächlich auch an die Hand. Dieses Buch ist eine Ode an die Unaufgeregtheit und die Schönheit der kleinen Dinge.
Was die Welle zu euch spült
- wie etwas Leichtes und Elegantes entsteht, wenn man eben gerade nicht allzu ambitiös ans Werk geht
- warum das Übersetzen eine Übung in Demut ist
- wann die Goldberg Variationen von Johann Sebastian Bach von Glenn Gould die Stille ablösen
- warum es sich mit einem Füller viel intimer und freier schreiben lässt als am Bildschirm
- über den Shitty First Draft – die allererste Fassung
- wann Cover und Gerüche zu Killer beim Bücherkauf werden
- warum man sich nie „leer schreiben“ sollte und es sich lohnt, immer etwas in Reserve zu haben
- über die Bedeutung von Plausibilität in Geschichten
- wie ein und dieselbe Geschichte auf ganz unterschiedliche Weise erzählt werden kann
- warum manche Geschichten ihre Zeit brauchen
- wie sich Wesenszüge und Marotten von Menschen in Figuren wiederfinden lassen
- warum ein Roman 150 Seiten braucht, um für sich alleine zu stehen
Die Buchempfehlungen
Die Buchempfehlungen von Pamela
- „Nincshof“ – Johanna Seebauer
- „Mühlensommer“ – Martina Bogdahn
- „Das Haus verlassen“ – Jacqueline Kornmüller
Die Buchempfehlungen von Alex
- „Die Verschwörung der Idioten“ (A Confederacy of Dunces) – John Kennedy Toole
- „Aller Tage Abend“ – Jenny Erpenbeck
- „Wir sind frei, die Welt zu verändern – Hannah Arendts Lektionen in Liebe und Ungehorsam“ – Lyndsey Stonebridge
Bleib Wellenreiter*in und gespannt, was noch alles auf dich zuschwappt …
Jetzt solltet ihr euch zuschalten. Hier geht´s lang. Ohren auf!