Himmelwärts

„Himmelwärts“ – Karen Köhler, Bea Davies

Carl Hanser Verlag, erschienen am 19. Februar 2024, Preis 19,00 € [D], Gebundene Ausgabe, ab 10 Jahren, 192 Seiten, ISBN:  978-3446279223, hier geht’s zum Buch

Zwei beste Freundinnen. Ein wobbeliges Zelt namens Phantom 3000. Knisternde Onesies voller Süßkram und Chips. Ein selbstgebasteltes kosmisches Radio. Eine Stimme aus dem All und eine große Vermissung. Das alles ist Teil eines galaktischen Abenteuers, das sich in einer einzigen sternenklaren Sommernacht im Garten einer Altbauwohnung abspielt.

„Ich fange also hier an mit dem Erzählen. Hier beginnt mein Countdown. Einfach so. Genau jetzt, wie ich hier liege, auf dem Boden in meinem Zimmer, und auf YumYum warte, während die Zeit eine Lakritzschnecke ist, die keinen Bock hat, zu vergehen.“

Zitat, Seite 11

Wenn ich an die Zeilen dieses Buches denke, erfasst mich eine große Vermissungswelle. Denn was Karen Köhler darin zu Papier gebracht hat, traf mich mitten ins Herz. Und nun bin ich untröstlich, dass das fantastische Abenteuer bereits hinter mir liegt und das Buch in mein Regal eingezogen ist. Viel zu schön war die gemeinsame Zeit. Wie in Lichtgeschwindigkeit zog sie an mir vorbei. 

Es ist die Geschichte von Toni und ihrer besten Freundin YumYum. Die beiden 10-Jährigen haben nicht nur eine Übernachtung im Garten, sondern auch eine große Mission geplant. Denn Toni möchte in dieser Nacht Kontakt zu ihrer verstorbenen Mutter aufnehmen. Dafür haben die beiden Mädchen ein kosmisches Radio gebastelt und wochenlang Snacks gehortet. Schließlich muss man für so ein nächtliches Vorhaben gewappnet sein.

Tonis Mama stirbt an Krebs. Das rasante Voranschreiten der Krankheit; die Metastasen, die den gesamten Körper einnahmen; die immer schwächer werdende Mutter, die Toni bis zu ihrem Tod an ihre Superpower erinnert hat und sie selbst verlor, hat sich im Kopf des Mädchens festgesetzt. Die letzten gemeinsamen Momente genoss die Familie in vollen Zügen. Es sind Tonis Tagebucheinträge, die noch heute daran erinnern. 

Der Verlust ihrer Mutter wiegt schwer auf Toni. Sie will nicht akzeptieren, dass sie nun nicht mehr da ist. Doch ihre Freundin und Weltall-Expertin YumYum ist sich sicher, dass im Universum keine Energie verlorengeht und daher auch Tonis Mutter nicht einfach verschwunden sein kann. „Das ist Gesetz. In einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Energien konstant.“

„Verrückt, wie einfach alles weitergeht, als sei überhaupt nichts passiert. Wie alles einfach weitergeht, die Erde sich weiterdreht. Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge. Monde nehmen ab und wieder zu, es wird einfach Sommer, ohne dass ich es anhalten könnte, dabei möchte ich die ganze Welt anhalten. Die Zeit anhalten, Die Sterne anhalten. Ich möchte, dass diese falsche Ohne-Mama-Welt stillsteht. Ich möchte, dass alles so lange stillsteht, bis sie wiederkommt und das Eis in meiner Brust taut und ich wieder irgendetwas richtig fühle. Bis ich sie nicht mehr vermisse.“

Zitat, Seite 31/32

Im Garten wartet das Nachtlager auf die Mädchen: Das Phantom 3000. Es ist eins dieser Wobbeldinger, die man erst mal bändigen muss. Der Aufbau des Zeltes hat Tonis Papa alles abverlangt. Tonis Mama hatte damit weniger Probleme. Geschickt moonwalken Toni und YumYum in ihren bis zum Bersten mit Fressalien gefüllten Onesies in Richtung Garten. Tonis Papa noch am Telefon, YumYums besorgte Mutter abwimmeln. Die Mädchen nutzen den Gunst der Stunde: Ein verräterisches Knistern begleitet jeden ihrer Schritte.

„Ich lasse die Bären in meine Augen rein, lasse den ganzen Nachthimmel in mich sinken, da überrollt mich eine Vermissungswelle, und ich weiß nicht, wie ich sie surfen soll. Mein innerer Elefantenrüssel schlenkert ganz ungelenk vor sich hin. Meine Ohne-Mama-Muskeln strengen sich richtig an, aber: Da ist ein Loch in der Welt, das genau Mamas Konturen hat. Es zieht ganz schlimm in meiner Brust, fast höre ich ihre Stimme, fast rieche ich sie, fast sehe ich sie vor mir. Fast meine ich, sie umarmt mich, und da glimmt ein kleines bisschen Hoffnung , dass YumYum recht hat und Mama nicht einfach weg sein kann, weil im Universum keine Energie verloren geht. Und ich höre mich flüstern: „Mama. Wenn es dich da draußen irgendwie noch gibt, als Bärin oder Schreibtischlampe oder was weiß ich, dann gib mir ein Zeichen!“

Zitat, Seite 45

Nachdem der Vater die Mädchen wiederholt dazu aufgefordert hat, zu schlafen; Toni gedanklich immer wieder wegdriftet, und sich die Mädchen ihre ganzen Snacks und die Limo reingezogen haben (die in gigantischen Rülpsern enden), können sie sich endlich ihrer eigentlichen Mission widmen. Hinter dem Zelt bauen sie ihr kosmisches Radio auf und starten damit ihre  „Mission Kontaktaufnahme“. Keiner der beiden weiß, ob das Radio wirklich funktioniert. Doch als eine gigantische Sternschnuppe über den Nachthimmel rauscht, ist sich Toni sicher, dass es ein Zeichen ihrer Mutter war. 

Wenig später entweichen dem galaktischen Radio jede Menge Krchk-Geräusche und eine Stimme meldet sich aus dem Walkie-Talkie. Doch es ist nicht die Stimme, die sich Toni erhofft hat. Denn es antwortet nicht ihre Mutter, sondern Astronautin Zanna. Mit ihr „philosophieren die Mädchen über das Dasein und die Sehnsucht, aber vor allem über das großartige Leben auf dem Planeten Erde, das uns so viel Trost und Freude schenkt.“

„Himmelwärts“ ist wie ein Sternschnuppe, die an dir vorbeizieht und sich trotz ihrer kurzen Verweildauer in deinem Bewusstsein verankert. Es ist ihr Zauber, der auch diesem Buch innewohnt. Der magische Glanz, der sich aus irrsinnig viel Wortwitz, unfassbar klugen Dialogen, einer Prise Abenteuerlust und einer engen Vertrautheit zusammensetzt.

Dieser erhellende Jugendroman weiß Groß und Klein gleichermaßen zu begeistern. Karen Köhler gestaltet ihn im kreativen Zusammenspiel mit Illustratorin Bea Davies‘ Bildern nicht nur mitreißend und unterhaltsam, sondern auch überraschender Weise leichtfüßig. Trotz des schweren Themas Tod, dem spürbaren Verlust der Mutter, der auf jeder Seite präsent ist; begegnet einem das Werk auf wunderbar leichte Art und Weise. Durch die Tagebucheinträge von Toni darf der/die Leser*in noch einmal an den gemeinsamen Momenten mit der Mutter teilhaben und die enge Verbundenheit zwischen Mutter und Tochter spüren. So wird Tonis Vermissung für den/die Leser*in noch verständlicher und greifbarer. Auch ihre Briefe an den Tod rührten mich zu Tränen.

Ihre beiden Protagonistinnen sind Köhler gleichermaßen gelungen. Ihre Persönlichkeiten stehen laut den Steckbriefen aus Tonis Freundschaftsbuch eher konträr zueinander, fügen sich aber zu einem sehr harmonischen Miteinander. Einer Freundschaft, in der man sich auch ohne Worte versteht, sich gegenseitig aufzufangen weiß und Herausforderungen gemeinsam meistert, so auch die „Mission Kontaktaufnahme“.

In der Geschichte nimmt sich Köhler nicht nur den Themen Tod und Verlust, sondern auch der Zeit und Astronomie an. Durch das Wissen der belesenen YumYum, aber auch durch die Unterhaltungen mit Astronautin Zanna, werden den Leser*innen so manch spannende Fakten über das Weltall an die Hand gegeben. Die Kapitel orientieren sich an einem Countdown, einer Zeit-Lakritzschnur mit aufgefädelten Erlebnisperlen. 

„Schon mal darüber nachgedacht, warum das so ist, dass Zeit nicht immer gleich schnell vergeht? Und warum fangen Countdowns eigentlich immer bei Zehn an und zählen dann runter bis zur Null, so als könnte danach nichts mehr kommen? Vielleicht ist dein ganzes Leben ein Countdown, und Null ist dann der Moment, in dem du stirbst. Aber wer zählt da? Und woher weißt du, wie viele Erlebnisperlen du noch auf deine Zeit-Lakritzschnur ziehen kannst?“

Zitat, Seite 9 

#wirlesenunsnachnangijala: Kinder- und Jugendbücher zur Trauerbewältigung

Till minne av Astrid Lindgren

14. November 1907 – 28. Januar 2002

„Die Brüder Löwenherz“ im Original

Weil Kinderbücher besänftigen können

Heute vor 19 Jahren ist Astrid Lindgrens nach Nangijala gereist. Sie hat dort mit Krümel und Jonathan ihren Frieden gefunden, den Tod als unausweichlichen Teil des Lebens angenommen und sich ihrer tröstenden Vorstellung von einem Übergang in ein anderes Reich hingegeben. Sie war eine der ersten Autor*innen, die sich dem Thema Tod in Kinderbüchern angenommen hat. Die gespürt hat, dass auch Kinder einen Weg brauchen, um ihre Trauer um einen geliebten Menschen zu überwinden, um in dieser schweren Zeit Trost zu finden und um dem Tod nicht mit Angst zu begegnen.

Und während viele der Ansicht waren, dass es nicht angemessen sei, für Kinder über den Tod zu schreiben, hat ihre Geschichte um „Die Brüder Löwenherz“ sich nahezu besänftigend auf viele Kinderseelen gelegt. Astrid Lindgren erhielt zahlreiche Briefe von jungen Leser*innen, die sich von ihr getröstet fühlten und sich fragten, wie es Krümel und Jonathan wohl in Nangijala erging. Und deshalb setzte sich Lindgren hin und verfasste einen Brief für all diese Kinder.

Der Brief wurde 1974 im Expressen veröffentlicht.

Zitate aus „Die Brüder Löwenherz“

„Aber es gibt Dinge, die man tun muss, sonst ist man kein Mensch, sondern nur ein Häuflein Dreck.”

„Habe ich nicht gesagt, dass ich mitkomme, wohin du auch gehst?“ sagte ich. „Doch, das hast du“, sagte Jonathan, und seine Stimme klang recht froh. „Denn ich will bei dir sein“, fuhr ich fort, „auch wenn es in einem unterirdischen Höllenreich ist.”

„Krümel Löwenherz“, sagte Jonathan, „hast du Angst?“ „Nein … doch, ich habe Angst! Aber ich tue es trotzdem, Jonathan, ich tue es jetzt… jetzt … Und dann werde ich nie wieder Angst haben. Nie wieder Angst ha …“ „Oh, Nangilima! Ja, Jonathan, ich sehe das Licht! Ich sehe das Licht!”

„Ich kann aber nicht töten“, sagte Jonathan, „das weißt du doch, Orwar!“ […] „Wenn alle wären wie du“, sagte Orwar, „dann würde das Böse ja bis in alle Ewigkeit herrschen!“ Aber da sagte ich, „wenn alle wären wie Jonathan, dann gäbe es nichts Böses.”

Wir lesen uns nach Nangijala

Steven (alias superheldliestgern) und ich möchten in Gedenken an unsere liebste Kinderbuchautorin die kommenden drei Tage dazu nutzen, um euch auf Instagram ein paar einfühlsame Kinder- und Jugendbücher an die Hand zu geben, die euren Kindern dabei helfen können, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten.

#wirlesenunsnachnangijala und laden euch ein, uns auf dieser Reise zu begleiten. Wir wollen unter dem Hashtag Kinder- und Jugendbücher vereinen, die in dieser schweren Zeit helfen und trösten können. Die sich besänftigend auf die Seele der Kinder legen und sie neuen Mut fassen lassen. Die dem Thema nicht ausweichen, sondern ihm direkt ins Auge blicken.

Unter dem Tab „Projekte“ wird zukünftig eine untergeordnete Seite namens „Wir lesen uns nach Nangijala“ zu finden sein, die ich peu a peu um unsere und eure Kinder- und Jugendbuch – Empfehlungen ergänzen werde.

Habt ihr Lust uns eure liebsten Bücher anzuvertrauen? Dann verfasst doch auf Instagram (oder eurem Blog) einen Beitrag dazu und verseht ihn mit dem Hashtag #wirlesenunsnachnangijala. Natürlich sind eure Empfehlungen auch in Form eines schlichten Kommentars herzlich willkommen.

„Der Tod und die Liebe gehören zu den großen Dingen im Leben eines Menschen, das ist für jedes Alter interessant. Man soll Kindern keine Angst machen, aber sie müssen genauso wie Erwachsene von Kunst ergriffen werden.”

Astrid Lindgren, Dagens Nyheter, 8. September 1959

The Hate U Give

The Hate U Give – Angie Thomas

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„Ein ohrenbetäubter Schrei dringt aus meiner Kehle, explodiert in meinem Mund und nutzt jeden Zentimeter meines Körpers für seine Resonanz. Mein Verstand sagt mir, ich soll mich nicht bewegen, aber alles andere drängt mich, nach Khalil zu sehen. Ich springe aus dem Wagen und renne auf die andere Seite. Khalil starrt in den Himmel, als hoffe er, Gott zu sehen. Sein Mund ist wie zu einem Schrei geöffnet. Ich schreie laut genug für uns beide.“

Zitat, Seite 33

Starr ist 16 Jahre alt, als sie Zeugin von rassistischer Polizeigewalt und ihr bester Freund Khalil vor ihren Augen erschossen wird. Während sie versucht, Khalils starr in den Himmel gerichteten Augen und das grausame Blutbad des Abends zu vergessen, verbreitet sich der Vorfall wie ein Lauffeuer. Starrs schwarzes Viertel kocht vor Wut.

Doch Starr muss die Fassung wahren. Schließlich ist sie in zwei unterschiedlichen Welten zu Hause. Während sie im schwarzen Viertel Garden Heights zu Hause ist, ist sie in ihrer Privatschule Williamson Prep überwiegend von Weißen umgeben. Hier unterdrückt sie sich ihren Ghetto-Slang, achtet auf gepflegte Umgangsformen und genießt alleine schon aufgrund ihrer Hautfarbe einen gewissen Coolnessfaktor.

Doch als den Menschen klar wird, dass es sich bei der Zeugin um Starr handelt, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Starr muss sich entscheiden, ob sie sich weiterhin bedeckt halten soll oder dem toten Khalil eine letzte Stimme schenkt.

„Wozu hat man eigentlich eine Stimme, wenn man in den entscheidenden Momenten schweigt?“

Zitat, Seite 288

Was Angie Thomas uns hier schenkt, ist nicht nur ein beeindruckend mutiges Debüt, sondern auch ein ganz besonderes wichtiges. Das war mir bereits vor dem Lesen klar. Denn Thomas tut das, was sich viele nicht trauen. Sie redet offen über Machtmissbrauch und Rassismus. Mit ihrem schonungslosen Ton trifft sie genau den Nerv der Zeit.

Während die Polizeigewalt in den USA bereits erschreckende Ausmaße angenommen hat, blicken wir in Deutschland noch auf ein einigermaßen geordnetes System. Noch. Doch Rassismus begegnen wir auch in Deutschland. Oftmals sind typisch weiße Denkweisen und Verhaltensmuster zu erkennen, die einem erschreckenden Automatismus unterliegen und Menschen in Schubladen stecken, die ein bestimmtes Klischee erfüllen. Dabei vergessen wir oft, dass es neben Schwarz und Weiß auch noch unendlich viele Grautöne gibt, die Menschen zu Individuen machen.

„Thug Life steht für „The Hate U Give Little Infants Fucks Everybody“. Hör zu! T-H-U-G L-I-F-E. Das bedeutet, was die Gesellschaft uns als Kinder antut, das kriegt sie später zurück, wenn wir raus ins Leben ziehen. Kapiert?“

Zitat, Seite 25/26

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Die Besonderheit von „The Hate U Give“ ist bereits auf den ersten Blick erkennbar. Denn sowohl auf dem Cover als auch in der Geschichte des Jugendbuches begegnen wir einem schwarzen Mädchen als Protagonistin: Starr. Während die Schwarzen oft eine Randfigur in Geschichten einnehmen, ist es sie, die hier im Mittelpunkt steht. Es sind ihre Augen, aus der wir die Geschichte erleben; ihr Bewusstsein, in dem die Ereignisse Gestalt annehmen.

Und so katapultiert uns Thomas ohne lange Umschweife direkt ins Geschehen. Wir sind Starr; ein verängstigter Teenager, der mitansehen muss, wie der beste Freund von einem Cop erschossen wird. Doch nicht nur das. Die Folgen, die aus dieser Tat resultieren, sind verheerend. Denn während die Polizei versucht, die Dinge in einem anderen Licht darzustellen und die Wahrheit zu verfälschen, ergreift die schwarze Bevölkerung Partei für Khalil. Ein unerbittlicher Kampf gerät ins Rollen, der neben den üblichen Bandenkriegen noch mehr Wut, Hass und Gewalt nach sich zieht und letztendlich nicht nur Starrs Leben, sondern auch das ihrer Familie und ihren Freunden gefährdet.

„Manchmal machst du alles richtig, und es geht trotzdem alles schief. Entscheidend ist, dass du dennoch nie aufhörst, das Richtige zu tun.“

Zitat, Seite 179/180

Thomas‘ Zeilen sind eine Mischung aus jugendlicher Unsicherheit und provozierend schwarz-amerikanischem Slang. Durch diesen kontrastreichen Stilmix gelingt es ihr vortrefflich, Starrs Gefühlsleben und ihre gegensätzliche Welt authentisch darzustellen, die das Mädchen zwischen ihrem schwarzen Viertel und ihrer weißen Privatschule, zwischen Arm und Reich aber auch zwischen ängstlicher Zurückhaltung und gewagter Unerschrockenheit hin- und herwechseln lässt.

Starr begegnet uns dabei als eine toughe, wenn auch selbstzweifelnde Persönlichkeit, die aus Angst um ihr Leben erst langsam aber sicher ihre Stimme finden muss. Ihre Entwicklung ist ein stetig wachsender Prozess, der sich durch das gesamte Buch zieht und seine Zeit braucht. Durch diesen Entwicklungsprozess schenkt Thomas auch ihren Lesern die Möglichkeit, eine Stimme zu finden.

„Da ist dieses Wort wieder. Mut. Mutigen Menschen zittern bestimmt nicht die Knie. Mutige Menschen haben nicht das Gefühl, gleich kotzen zu müssen. Und mutige Menschen müssen sich bestimmt nicht ermahnen, zu atmen, wenn sie zu sehr an jenen Abend denken. Wäre Mut ein medizinischer Zustand, läge bei mir eine klare Fehldiagnose vor.“

Zitat, Seite 322

Auch die Silhouette von Khalils Charakter gewinnt selbst über seinen Tod hinweg an Sichtbarkeit. Es sind die Erzählungen einzelner, die Khalil zurück ins Leben holen. Seine Wesenszüge und Beweggründe sind es, über die man plötzlich urteilt, ohne den wahren Khalil je kennengelernt zu haben. Die weiße Bevölkerung weist ihm schnell die Rolle eines Thug (eines Kriminellen) und Gangmitglieds zu, der es verdient hätte, zu sterben.

Doch nicht nur Starr und Khalil, sondern auch den zahlreichen Nebenfiguren schenkt Thomas ihre Aufmerksamkeit. So begegnen wir während der Geschichte einer Reihe liebevoll gezeichneter Figuren, die alle ihre Daseinsberechtigung haben und aktiv zum Geschehen beitragen. Vor allem Starr’s Familie und ihre engsten Freunde finden hierbei regelmäßig Beachtung.

„Mutig sein bedeutet nicht, dass du keine Angst hast, Starr“, sagt sie. „Es bedeutet, dass du was tust, obwohl du Angst hast.“

Zitat, Seite 376

Welche Hautfarbe du hast, spielt beim Lesen von „The Hate U Give“ letztendlich keine Rolle. Was zählt, ist vielmehr deine Stimme, die du während dem Lesen findest und das Denken und Handeln, was daraus resultiert. Diese Botschaft vermittelt Thomas durch viele kleine nahezu unscheinbare Details. Sicher hat Starr deshalb auch einen weißen Boyfriend. Durch diesen Schachzug heimst Thomas nicht nur meine Sympathien ein, sondern genießt auch meine volle Wertschätzung für dieses wirklich beeindruckende Werk. Thomas bzw. Starrs eindringliche Stimme wird noch lange in mir nachhallen.

    Den Balanceakt zwischen deutschen und englischen Begriffen meistert Henriette Zeltner bei der Übersetzung ins Deutsche gekonnt. Durch das Beibehalten von schwarz-amerikanischen Begriffen bewahrt sie der Geschichte ihren unverwechselbaren und authentischen Ton. Wem die Bedeutung mancher Begriffe dennoch unklar sein sollten, wird im an die Geschichte anschließenden Glossar fündig.

„Man sagt, Elend zieht Elend an, aber das gilt wohl ebenso für Wut. Ich bin hier nicht die Einzige, die angepisst ist – alle um mich rum sind es auch. Man muss dafür nicht auf dem Beifahrersitz gesessen sein, als es passierte. Meine Wut ist ihre Wut, und ihre ist meine.“

Zitat, Seite 440

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Day 11 : Book 11 – Acht magische Münzen

Ihr Lieben,

der letzte Sonntag vor dem Bloggeburtstag ist da!

 Wir sind bei Tag #11 von 16 Tage : 16 Bücher – Eine Blogparty.

Heute habe ich etwas für junge Spürnasen:

“Stuart Horten – Acht Münzen und eine magische Werkstatt” von Lissa Evans

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 Worum geht´s?

„Ich muss weg, und es kann sein, dass ich nicht mehr zurückkehre.

Wenn ich nicht wiederkomme, gehört meine Werkstatt und alles, was sich darin befindet, dir – wenn du sie finden kannst.

Und wenn du sie findest, dann bist du auch der Richtige dafür.“

Stuart findet in der Schatulle seines Vaters eine Nachricht seines Onkels Kenny, die auf eine magische Werkstatt hinweist. Neben dem Zettel findet er acht alte Three-Penny-Münzen in der Dose. Stuart will unbedingt wissen, was es mit ihnen auf sich hat.

Lust auf mehr? Meine Besprechung liegt nur einen Klick entfernt…

<3

Euer Glückslos zum Buch

Besitzt ihr auch Gegenstände, die für euch magisch sind?

PS: Alle Beiträge, die heute bis 23:59 Uhr eingehen, werden bei der Ermittlung des Tagesgewinners berücksichtigt. Der Gewinner erfährt sein Glück als Antwort auf seinen Beitrag & per Email.