Kinderfreuden #56: Die Wortschatzkiste

„Der Wortschatz“ – Rebecca Gugger, Simon Röthlisberger

NordSüd Verlag, erschienen am 21. Februar 2024, Preis 17,00 € [D], Hardcover, ab 4 Jahren, 48 Seiten, ISBN: 978-3-314-10670-5, hier geht’s zum Buch

Beim Buddeln stößt Oscar auf eine prächtige Holztruhe. Voller Vorfreude malt er sich aus, welcher Schatz in ihr verborgen liegen könnte: eine goldene Krone, neue Inline Skates, eine prächtige Ritterrüstung oder gar ein neuer Bagger. Als er die Truhe endlich offen hat, ist er maßlos enttäuscht. Denn was sich ihm darin offenbart, ist nichts weiter als ein wildes Durcheinander an Wörtern. Gleich das erste Wort, „quietschgelb“, pfeffert er gelangweilt hinter sich ins Gebüsch. Als kurz darauf ein ziemlich aufgebrachter quietschgelber Igel an ihm vorbeigaloppiert, staunt er nicht schlecht.

Verwirrt greift er zu einem zweiten zweiten Wort und ziemlich schnell zu vielen weiteren. Er schmeißt die Wörter wahllos um sich und ist begeistert, wie sie sich auf die Umgebung auswirken. Denn die kleinen scheinbar nutzlosen Wörter haben eine überraschend wirkungsvolle Kraft. Doch irgendwann gehen Oscar die Wörter aus. Plötzlich glänzt die Truhe mit nichts anderem als gähnender Leere. Zum Glück weiß Louise ihm zu helfen. Die Sprachkünstlerin zeigt Oscar, wie er neue Wörter kreieren und behutsam einsetzen kann. 

Blickwinkel aus großen Augen

Mit ihrem federleichten Bilderbuch „Der Wortschatz“ haben Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger ein Herzensbuch geschaffen, das von der ersten Seite an zu begeistern versteht. Mit ihrer Geschichte nehmen sie sich ähnlich wie Valeria Docampo und Agnès de Lestrade in „Die große Wörterfabrik“ auf sehr kreative Weise dem Wortschatz oder vielmehr der Sprache selbst an, die oft sehr unachtsam zum Einsatz kommt.

An der Seite ihres Protagonisten Oscar lassen sie ihre kleinen und großen Leser*innen eine alte Truhe mit Wörtern ausbuddeln. Oscar weiß anfangs nichts mit ihnen anzufangen und schleudert gleich das erste Wort achtlos ins Gebüsch. Dass die scheinbar nutzlosen kleinen Geschöpfe aber eine ungeheure Macht besitzen, bemerkt er erst, als ein quietschgelber Igel an ihm vorbeiprescht, als er einer alten Eiche eine neue Frisur verpasst, ein kleines Vogelhäuschen sich zu einem wahren Palast entfaltet oder ein winziger Käfer zu einem riesigen angsteinflößenden Geschöpf mutiert. Und weil er die Wörter der Kiste ohne Sinn und Verstand durch die Gegend geschleudert hat, steht Oscar schon bald ohne Wörter da.

Oscar braucht dringend neue Wörter und findet glücklicherweise in der Sprachkünstlerin Louise eine Hilfe. Denn sie versteht es wie keine zweite, neue Wörter zu schaffen, indem  sie mit offenen Augen durch die Welt geht. Oscar ist von ihrem berghohen Wörterhaufen schwer beeindruckt und macht sich schon bald daran, seine Umgebung mit allen Sinnen in sich aufzunehmen. Er hört aufmerksam zu, er tastet, riecht und beobachtet. Er schmeckt und fühlt mit dem ganzen Herzen. Und plötzlich hat er ganz eigene Wörter geschaffen und seine Schatztruhe bis oben hin mit neuen Wörtern gefüllt: eine richtige Wortschatzkiste ist dabei entstanden.

Die kreativen Wortneuschöpfungen, die unter Louises und Oscars Regie zustande kommen, haben die Räubertochter und mich schwer begeistert. Wir haben bei der Lektüre nicht nur manches Wort (wie z.B. blubberwild, pflaumensommersüß oder waldbodenweich) für uns entdeckt, sondern wollten unbedingt auch ganz eigene Wörter erfinden, was uns innerhalb kürzester Zeit gelungen ist. Das Buch, welches Kinder und Erwachsene gleichermaßen dazu einlädt, sprachlich kreativ zu werden, hat uns genau zum richtigen Zeitpunkt erreicht. Denn für Emma, die im September eingeschult wird, schafft das Bilderbuch eine erste bewusste Annäherung an Adjektive, die hier im Fokus stehen. Auf wunderbar spielerische und federleichte Weise lassen Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger ihre kleinen Leser*innen sich den Eigenschaftswörtern annähern.

Doch nicht nur das. Sie schaffen es mit ihrer Geschichte auch, Kindern zu verdeutlichen, wie viel Macht Wörter haben können und dass man sie deshalb bewusst einsetzen sollte. Sie ermuntern sie zu einem achtsamen Umgang mit Sprache. Verdeutlichen, dass ein Wort, einmal ausgesprochen, nicht mehr zurückgenommen werden kann bzw. sich unmittelbar auf die Umwelt auswirkt. Dass der Schaden oftmals nicht mehr zu beheben oder nur durch ein weiteres Zutun zu verändern ist. Das zeigt sich vor allem an der Stelle mit dem winzigen Käfer, den Oscar durch das Wort „monströs“ zu einem riesigen Geschöpf heranwachsen lässt. Durch das rasche Hinterherwerfen des Wortes „niedlich“ schafft er es zwar, ihm etwas an seiner angsteinflößenden Erscheinung zu nehmen, nicht aber, an seiner ungeheuerlichen Größe. Schon in „Die große Wörterfabrik“ hat Emma gelernt, dass es nicht auf die Anzahl an Wörtern ankommt, sondern vielmehr auf das Wort selbst. Dass es der persönliche Wert und/oder die individuelle Botschaft ist, die wirklich zählt. 

Dieses erdbeersüße Bilderbuch entführt Kinder in die Welt der Adjektive. Es weckt nicht nur ihre Lust auf Sprache, es lässt sie zu wahren Wortvirtuos*innen werden. Und deshalb solltet ihr flottikarottig in den Buchhandel flitzen, euch putzmunter dieses herzensnahe, sahneheitere und federleichte Buch schnappen und euch feuchtfröhlich ans Werk machen.

Zu diesem Buch gibt es noch folgendes zu entdecken:

Landingpage mit Werbemitteln und Dekoration für den Buchhandel
Interview mit Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger
Kostenloses pädagogisches Begleitmaterial (Download unter Lehrmaterialien)

Eine Illustrationsausstellung im Rahmen der Münchner Bücherschau junior

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Die Illustrationsausstellung zum Buch im Rahmen der Münchner Bücherschau junior kann noch bis Sonntag, den 10. März 2024 im Fat Cat (ehemaliger Gasteig) in München bestaunt werden. Allen Bücherliebenden aus München & Umland sei der Besuch ans Herz gelegt.

Blickwinkel aus kleinen Augen

Emmas Urteil:

Gefällt dir das Bilderbuch, Emma?

Oh ja. Ich finde die Wörter toll, die ich darin alle entdecken kann.

 

Welches ist deine Lieblingsseite?

Wo Louise, Oscar und der quietschgelbe Igel auf der Wiese liegen und in den Himmel schauen. Weil ich das Wort „pflaumensommersüß“ so mag. Weil ich Erdbeeren aber lieber mag, habe ich „erdbeersüß“ daraus gemacht.

Die Botschaft dieser Seite in deinen Worten:

„Wörter haben eine magische Kraft. Sie können die Welt bunter machen. Sie erblüht dann wie eine Blume.“

 

Welches Wörter hast du im Buch für dich entdeckt?

pflaumensommersüß, sahneheiter, blubberwild, feuchtfröhlich, waldbodenweich

Hast du auch eigene Wörter erfunden?

Ja, jede Menge sogar. Da sind z.B. erdbeersüß, räubertochterwild, emmatalerig, teddyweich, flottikarottig (Flotti Karotti ist ein Brettspiel, das wir haben), zuckerwattig  

 

 

Was verbirgt sich hinter dem Wort „emmatalerig“?

Meine Mama hat irgendwann aus der Käsesorte Emmentaler den Emmataler gemacht (weil ich Emma heiße). Manchmal riechen meine Füße ganz muffig, wenn ich am Abend meine Socken ausziehe. Dann riechen sie nach Emmataler, sie sind dann ganz „emmatalerig“. 

Was lernst du im Buch?

Meine Mama meint, ich lerne dort Wörter kennen, die etwas beschreiben. Also Wörter, die man als Antwort auf die Frage „Wie ist etwas?“ geben kann. Das Wort „Adjektive“ kann ich mir noch nicht so gut merken (deshalb hat es auch meine Mama aufgeschrieben).

Zu was hat dich das Buch eingeladen/animiert?

Dass ich Wörter mit meinen Holzbuchstaben nachlege und eigene Wörter erfinde. Ich habe meine eigene Wortschatzkiste gebastelt und bewahre sie jetzt darin auf.

Wird zur:

Wortvirtuosin

[Werbung: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise von NordSüd als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt]

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