Ein Klassiker im neuen Gewand

„Eine Weihnachtsgeschichte“ – Charles Dickens, Lisa Aisato

Woow Books, erschienen am 14. September 2023, Preis 26,00 € [D], Gebundene Ausgabe, ab 8 Jahren, 152 Seiten, ISBN:  978-3-03967-002-4hier geht’s zum Buch

Über viele viele Jahre hinweg hatte ich als Kind einen Lieblingsfilm, den ich immer zu Weihnachten angesehen habe: Die Muppets Weihnachtsgeschichte. Es mag naiv klingen, aber es war mir wohl eine ganze Zeit lang nicht wirklich bewusst, dass es sich dabei um Charles Dickens‘ „Eine Weihnachtsgeschichte“ handelte, die von der Muppet Show kindgerecht inszeniert wurde.

Später lernte ich den wohl bekanntesten englischen Klassiker der Weihnachtszeit peu a peu kennen, habe ihn aber nie wirklich komplett am Stück gelesen. Als ich dann von dieser Prachtausgabe erfuhr, sah ich meine Gelegenheit und packte sie am Schopf. Denn die Neuübersetzung vom 1843 erstmals erschienenen Klassiker kommt nun mit atemberaubenden Bildern daher, deren Wirkung und Sogkraft nicht von der Hand zu weisen sind. Es sind die faszinierenden Illustrationen von Lisa Aisato, die dieser Ausgabe innewohnen und die Lektüre zu einem wahren Leseerlebnis machen.

„Pah“, sagte Scrooge. „Humbug!“ „Weihnachten und Humbug, Onkel?, fragte Scrooges Neffe. „Das wird doch wohl nicht dein Ernst sein?“ „Doch“, sagte Scrooge. „Fröhliche Weihnachten! Mit welchem Recht bist du denn fröhlich? So arm, wie du bist!“ „Hör doch auf“, erwiderte der Neffe lachend. „Mit welchem Recht bist du so verdrießlich? Aus welchem Grund bist du so grießgrämig? So reich, wie du bist!“

Zitat, Seite 14/16

Nun tauchte ich also erstmals komplett ein, in diese zeitlose Geschichte über den gierigen alten Griesgram Ebenezer Scrooge, der Weihnachten so sehr verabscheute, dass er am Heiligen Abend alleine vor seinem erloschenen Kamin saß, während die Häuser ringsum um ihn herum von Menschen, Liebe und Weihnachtszauber erfüllt waren. Er wäre an diesem Abend wohl zeitig ins Bett gegangen, wäre ihm in dieser Nacht nicht der Geist seines alten verstorbenen Partners Jacob Marley erschienen, um ihn drei Boten anzukündigen, die mit ihm auf eine Reise durch Nacht und Zeit gehen.

Eine Reise, die ihn in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft blicken und erstmals an seiner unmenschlichen Einstellung und seinem fehlenden Mitgefühl für andere zweifeln lassen. Denn plötzlich erkennt Scrooge, dass nichts so ist, wie es auf Anhieb scheint und dass es sich lohnt, in Nächstenliebe zu investieren.

Ich kann gar nicht sagen, welche von Aisatos Inszenierungen ich in diesem Prachtband am meisten feiere, ob es der der unausstehliche Scrooge ist, dessen Antlitz anfangs von den harten und strengen Zügen des Argwohns und Geizes erfüllt ist und sich im Verlauf der Geschichte langsam aber sicher erweicht; den wohlgenährten ausgelassen das Tanzbein schwingenden alten Herrn Fusselschopf und seiner Herrin; der imposante Geist des Weihnachtsfestes, der in kulinarischer Üppigkeit eingebettet ist oder der Sohn von Scrooges Buchhalter, der arme kleine Tiny Tim, dessen Anblick so herzerweichend ist, dass mir nahezu die Tränen über die Wangen liefen. All diese Figuren und noch viel mehr machten die Lektüre von Gabriele Haefs‘ Übersetzung, die die Tonalität ihrer Zeilen aufs Vortrefflichste dem Werk anpasste, in Zusammenspiel mit den berauschenden Illustrationen von Lisa Aisato zu einem so magischen Unterfangen, dass ich sie jedem ans Herz legen möchte: Jung und Alt, Groß und Klein, sicher aber mit dem nötigen Mut und der Stärke im Gepäck, die es beim Anblick so manch furchteinflößender oder trauriger Gesell*innen in dieser Geschichte und der vollständigen Erfassung des Inhaltes bedarf.

Es ist die Nächstenliebe, die nicht nur an Weihnachten, sondern auch in Charles Dickens‘ Geschichte im Mittelpunkt steht. Das Reflektieren, das sich Besinnen und der Mut zur Veränderung, der sich auszahlt. Das Sich selbst nicht so wichtig nehmen, wohl aber die Not der anderen. Die Tatsache, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann und dass die Kraft der Freundschaft, Liebe und das Miteinander wahre Wunder bewirken können.

„Scrooge hielt Wort, und wie! […] Er wurde ein guter Freund, ein guter Herr, ein guter Mann, wie es in der guten alten Stadt kaum einen zweiten gab, oder in irgendeiner anderen guten alten Stadt, einem Dorf, einem Weiler in der guten alten Welt. Einige lachten über diese Veränderung, aber er ließ sie lachen und achtete nicht weiter darauf, denn er war klug genug, um zu wissen, dass auf diesem Erdball nichts passiert, ohne dass irgendwer darüber lacht. […] Sein Herz lachte, und für ihn war das mehr als genug.“

Zitat, Seite 142/143

Lisa Aisoto beschert uns mit Woow Books dieses Jahr Charles Dickens‘ Klassiker im prächtig schillerndem Gewand, das schon beim ersten Anblick mächtig zu beeindrucken versteht. Die Neuauflage des Klassikers macht sich nicht nur hervorragend unter dem Weihnachtsbaum , sondern lässt sich auch noch gut als Geschenk zu Neujahr lieben Menschen an die Hand geben. Ich wünsche euch noch besinnliche (Vor)Weihnachtstage!