Blogtour zum Bilderbuch „Wieder Zu Hause“ + Giveaway

„Home is where your heart is.“

Ein Zuhause ist für mich nicht nur ein Ort, es ist vielmehr ein Gefühl. Ein Gefühl des Ankommens. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Ein Ort, der mich sanft umschließt wie die Arme eines geliebten Menschen. Und deshalb ist ein Ort, den ich als mein Zuhause bezeichne, immer mit den Menschen verbunden, deren Nähe, Liebe und Aufmerksamkeit mir gut tun. 

Ein Zuhause, das ist für mich aber auch ein Ort, an dem ich so sein kann, wie ich bin. Der mir Luft zum Atmen gibt. Mir Raum schenkt, um mich frei zu entfalten. Wo all meine Gemütslagen Platz finden, ich ausgelassen und fröhlich, aber auch traurig und niedergeschlagen sein darf. Mein Zuhause ist mein Wohlfühlort, der Ruhe und Gemütlichkeit ausstrahlt. Der mit und an mir wächst, hin und wieder sein Gewand wechselt und mich idealerweise sogar über mehrere Lebensphasen hinweg beherbergt. Manche sogar ein ganzes Leben. Mir war es leider nicht vergönnt, mein Elternhaus als Zuhause für die Ewigkeit zu wahren, weshalb es mir umso wichtiger ist, unser jetziges Zuhause für meine Räubertochter so lange wie möglich zu wahren.  

Mit dem Einzug in ein Haus bzw. in eine Wohnung hauche ich ihm/ihr Leben ein. Ganz unbewusst hinterlasse ich Spuren: Dellen oder Kratzer, knarzende Stellen auf den Dielen, Löcher und Schattierungen in der Wand, Konfetti, das sich in den entlegensten Winkeln versteckt, vergessene oder vergrabene Schätze. All diese Überbleibsel werden der nachfolgenden Generation meine Geschichte erzählen.

Ich habe im Laufe meines Lebens schon einige Orte gefunden, die mir ein Zuhause waren. Manche davon sind es heute noch, selbst wenn ich längst nicht mehr dort wohne. Was mich für immer mit ihnen verbindet sind die Erinnerungen, Gefühle, Geräusche und Menschen, die ich dort für mich mitnehmen durfte. 

Doch was passiert mit einem Zuhause, wenn wir ausziehen und es hinter uns lassen? Und wie geht es dem Haus bzw. der Wohnung damit? Wiegt unsere Abwesenheit so schwer, dass es von einer plötzlichen Leere erfasst wird? Trauert es vielleicht sogar um uns? Verschließt oder öffnet es sich gegenüber Neuem? Colleen Rowan Kosinski und Valeria Docampo haben diese Gedanken aufgegriffen und daraus ein besonderes Bilderbuch mit ungewöhnlicher Perspektive entstehen lassen. 

„Wieder zu Hause!“ – Valeria Docampo,  Colleen Rowan Kosinski

mixtvision, erschienen am 17.08.2022, Preis 17,00 € [D], Bilderbuch, ab 3 Jahren, 32 Seiten, ISBN: 978-3-95854-191-7, hier geht’s zum Buch

„Wieder zu Hause!“ erzählt die berührende Geschichte eines Hauses aus ungewöhnlicher Perspektive. Dann das dreistöckige rote Haus auf dem Cover dient dem Bilderbuch nicht nur als Szenerie und Mittelpunkt der Geschichte, es fungiert darin auch als Geschichtenerzähler. Denn das Haus selbst erzählt den Leser*innen seine Geschichte.

„Meine Familie liebte  mich. Und ich liebte sie. Ich war mehr als nur ein Haus. Ich war ein Zuhause. Ihr Zuhause.“

Und so erinnert sich das Haus an die vielen schönen Momente mit seiner Familie. Es erzählt von den Babyfüßen, die auf seinen Dielen herumgetapst sind. Wie ihr zartes Tapsen einem lautem Stampfen wich. Wie die Küche vom Duft frisch gebackenen Brotes erfüllt war und ausgelassenes Lachen durch den Flur hallte. Wie seine Familie wuchs und die Größe der Kinder an der Dielentür verewigt wurde. Wie aus acht Füßen zehn wurden. Wie das Haus erfüllt war von Menschen und wie es ihm manchmal auch zu viel wurde. Dass es nur durch die Fürsorge seiner Familie wieder an Stärke zurückgewann und ihr fröhliches Treiben es erstrahlen ließ. Es erzählt aber auch von der schweren Zeit danach. Als seine Familie auszog und das Strahlen erblasste. Wie es traurig und leer zurückblieb, den Erinnerungen vergangener Zeiten nachhing und von sichtbaren Zeichen des Verfalls übersät war. Es fiel ihm schwer, sich auf neue Bewohner*innen einzulassen.

Viele Menschen kamen, um das Haus zu besichtigen. Doch sie fanden keinen Zugang, ließen sich von den angeschlagenen Dachschindeln, den knarrenden Stufen und den klappernden Fensterläden vertreiben. Wochen und Monate zogen ins Land, bis zwei Männer kamen, die in ihm genau das sahen, was seine Familie in ihm sah: ein Zuhause.

Mit ihrem unvergleichlichen Illustrationsstil schafft es Valeria Docampo einmal mehr eine Geschichte zu Papier zu bringen, die uns alle verzaubert. „Wieder Zu Hause!“ präsentiert sich nicht nur als wunderbar stimmiges Gesamtkunstwerk, in dem sich Docampos atmosphärische Bilder mit den Zeilen von Colleen Rowan Kosinski, die von Pia Jüngert ins Deutsche übertragen wurden, perfekt ergänzen, es bedient sich auch einer uns allen vertrauten Szenerie: einem Zuhause.

Wir alle haben in den letzten drei Jahren sehr viel mehr Zeit Zuhause verbracht als uns lieb war. Der Wunsch, die eigenen vier Wände in einen Wohlfühlort zu verwandeln war und ist nach wie vor noch viel ausgeprägter als früher. Das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit in den eigenen vier Wänden ist für uns essentiell geworden, um auf die Entwicklungen und vielen Einflüsse von Außen reagieren zu können. 

Ob das Haus in dieser Geschichte nun das eigene Zuhause verkörpert oder für den Wunsch nach einem vertrauten Ort steht, diese Geschichte trifft mitten ins Herz. Sie zeigt uns, wie wichtig ein Zuhause und das Gefühl von Zugehörigkeit für uns Menschen ist. Und verdeutlicht, was viele Menschen in Zeiten des Krieges hinter sich lassen müssen. Wie Loslassen und Abschiednehmen Platz für Neues schaffen kann und dass man auch nach langer Zeit der Zurückgezogenheit wieder einen Platz im Leben finden kann.

Mit „Wieder zu Hause!“ ist Docampo und Kosinski ein ruhiges und einfühlsames Werk gelungen, das uns dazu einlädt, in die Rolle unseres Zuhauses zu schlüpfen. Es erinnert uns daran, dass kaputte Dinge nicht zwingend aussortiert oder abgerissen werden müssen, sondern vielmehr repariert werden können. Dass wir durch unsere Liebe und Zuwendung wertschätzen, was wir haben. 

Ein Penny für deine Gedanken – Ein Giveaway für deine Momentaufnahme

Im Rahmen der Blogtour von Küstenkidsunterwegs und mixtvision darf ich ein Exemplar dieses wundervollen Bilderbuches an euch verlosen. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir dafür eine schöne Momentaufnahme aus deinem Leben in deinem Zuhause mit auf den Weg gibst. Verrate mir bis Freitag, den 10. Oktober 2022 um 23:59 Uhr deine persönliche Geschichte in Form eines Kommentars und springe damit in den Lostopf für ein Exemplar des Buchs.

Das Gewinnspiel läuft parallel auf Instagram. Die Teilnahme ist für alle Leser*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz möglich und auf beiden Kanälen denkbar. Die Gewinnchance auf das Exemplar des Bilderbuches verdoppelt sich damit.

Der Versand des Gewinns erfolgt durch mixtvision. Zu diesem Zweck gebe ich die Adresse der Gewinnerin/des Gewinners an den Verlag weiter.

Viel Glück! Eure Steffi

Im freien Fall in Richtung Abenteuer

„Alice im Wunderland“ – Lewis Carroll & Valeria Docampo

mixtvision Verlag, erschienen am 18. August 2021, Preis 28,00 € [D], Hardcover, ab 9 Jahren, 124 Seiten, ISBN: 978-3-95854-176-4, hier geht’s zum Buch

Ein Kaninchen mit weißen Handschuhen und Taschenuhr in der Westentasche, das ist wahrlich etwas Wundersames, findet Alice. Aber nicht weniger verrückt wie die die Wasserpfeifen schmauchende Raupe, die Grinsekatze, die sich bis auf ihr Grinsen in Luft auflöst,  oder ein Tee schlürfender Hutmacher nebst Schnapphase. An die kleinen Skurrilitäten, die ihr an diesem wundersamen Ort überall begegnen, gewöhnt sich Alice recht schnell. Genau wie an die Tatsache, dass sie wachsen und schrumpfen kann wie eine Ziehharmonika. Denn das bringt durchaus seine Vorteile mit sich. In dem wundervollen Land, in das Alice abtaucht, scheinen der Fantasie keine Grenzen gesteckt zu sein.

„Und selbst wenn mein Kopf hindurchginge“, dachte die arme Alice, „könnte ich mit ihm ohne die Schultern auch nicht viel anfangen. Ach, ich wünschte, ich könnte mich wie ein Fernglas zusammenschieben!“

Zitat, Seite 14

Ob ihr es glaubt oder nicht, bis zu dieser Prachtausgabe von einem Bilderbuch, habe ich noch nie Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ vollständig gelesen. Ich kannte viele Passagen aus der Geschichte und die Verfilmungen, nicht aber das gesamte Werk, das bereits im Jahre 1865 erstmals erschienen ist und längst zum Kult-Klassiker avanciert ist. Während ich lange mit anderen hübschen Ausgaben der Geschichte geliebäugelt habe, fiel mir kürzlich dieser Bilderbuchtraum in die Hände, der mit berauschend schönen Illustrationen von Valeria Docampo daherkommt. Und wer bei mir schon eine Weile liest, der wird sich spätestens jetzt an ein Bilderbuch zurückerinnern, das ebenfalls aus der Feder der begnadeten Illustratorin stammt, unser Herzen im Sturm erobert hat und mit den drei Wörtern „Kirsche, Staub und Stuhl“ auf ewig verbunden ist.

Denn hier fing unsere (Docampo-)Geschichte an…

Die große Wörterfabrik“ entflammte in Emma und mir eine Liebe für die „kleinen“ Kunstwerke aus Farben und Formen, für die Detailverliebtheit, die Ausdruckskraft und den Zauber, die/der von Docampos Illustrationen ausgeht und unwillkürlich eine Kette von Folgelektüren ins Rollen bringt. Ob „Im Garten der Pusteblumen„, „Die Schneiderin des Nebels„, „Der Bär und das Wörterglitzern“ oder die Neuinterpretation von „Der kleine Prinz“ – hier werden noch eine ganze Reihe an Bilderbuchbesprechungen folgen, die wir dem harmonischen Zusammenspiel dieser großartigen Künstlerin mit Texten von Agnès de Lestrade oder Noelia Blanco zu verdanken haben. Da bleibt es nicht fern, das Wort „Nochmal!“ in die Welt zu entlassen, das schon Paul für seine Marie übrig hat. 

„Ülkiger und ülkiger!“, rief Alice (und in ihrer Überraschung entging ihr, dass man das eigentlich gar nicht sagen kann); „jetzt schiebe ich mich auseinander wie das längste Fernrohr, das es jemals gegeben hat! Lebt wohl Füße!“

Zitat, Seite 20

Für welche „Alice im Wunderland“ – Ausgabe man sich letztendlich entscheidet, um in den wohlbekannten Klassiker einzutauchen, ist jedem selbst überlassen. Fest steht, die Geschichte ist es wert, gelesen zu werden. Lewis Carroll brilliert als fantasievoller Erzähler, sowohl bei der Erschaffung von Szenerien, Wörtern als auch Figuren schöpft er aus dem Vollen. Der unikatäre Wert seiner Erfindungen (oder sollen wir sie besser „Hirngespinste“ nennen?) mag uns in der heutigen Zeit nicht mehr ganz so außergewöhnlich erscheinen, aber gab es jemals zuvor eine Grinsekatze, die sich bis auf ihr Grinsen in Luft auflöst, einen Hasen, der mit weißen Handschuhen und Taschenuhr in der Westentasche durch die Gegend rennt, einen Hutmacher, der vor Verrücktheit förmlich überschnappt, eine Wasserpfeifen rauchende Raupe oder eine Suppenschildkröte? Lewis Carrolls Fantasie schienen keine Grenzen gesetzt. Er fabuliert was das Zeug hält, lässt die kleine Alice selbst nicht minder häufig an sich und ihren Worten zweifeln. Darüber hinaus bringt die fiktive Welt, in der die Geschichte angesiedelt ist, so viele logische Komponenten und Parallelen zu unserer Welt mit sich, dass die Erzählung nicht nur bei jüngeren, sondern auch bei älteren Leser*innen großen Anklang findet.

„Ich möchte nur wissen, was eigentlich mit mir passiert ist! Früher beim Märchenlesen dachte ich mir immer, solche Dinge könnten ja doch nicht geschehen, und jetzt bin ich selbst mitten in ein Märchen geraten!“

Zitat, Seite 41

Allein von Carrolls Zeilen geht ein ungeheurer Sog aus, dem zauberhaften Zusammenspiel mit Docampos Illustrationen kann man sich aber wahrlich nicht entziehen. Ehe man sich versieht, ist man genau so schnell wie Alice im Kaninchenbau, hinter dem Deckel des Buches verschwunden, im freien Fall in Richtung Abenteuer. Und es ist eine wahre Wohltat in die großformatige Neuauflage aus dem Hause mixtvision einzutauchen. Docampos farblich dominierende Illustrationen im pink-türkisen Gewand verleihen dem wohlbekannten Klassiker einen modernen Farbtupfer, durch den er sich zum berauschenden Farbbad entfaltet, in dem man es sich so gemütlich macht, dass man erst völlig verschrumpelt wieder daraus hervortaucht. Und so offenbart sich diese Ausgabe als erquickende Lektüre für Körper und Geist und verleiht nicht nur dristen (Herbst)tagen die nötige Farbe, sondern auch dem Bücherregal einen gewissen Glanz. 

„Ihr seid ja nichts weiter als ein Kartenspiel“ […] Halb zornig, halb erschreckt, stieß Alice einen kleinen Schrei aus und schlug nach ihnen, um sie zu verjagen – und auf einmal war sie wieder am Bachufer und lag mit dem Kopf ihrer Schwester im Schoß.“

Zitat, Seite 122

Diese hübsche Schmuckausgabe sei allen großen und kleinen Alice-Fans ans Herz gelegt, an die Geburtstags- und Weihnachtsgeschenksucher*innen, an die Liebhaber*innen des geschriebenen Wortes und all jenen, die sich gerne von Farben und Formen berauschen lassen. Dieses Bilderbuch wird euch garantiert beflügeln!  

Dieses Bilderbuch wurde von mir auch im Rahmen der Kinderbuch-Kolumne auf buchszene.de ans Herz gelegt:

https://buchszene.de/kinderbuch-empfehlungen-oktober-2021/

Kinderfreuden #41: Wenn Wörter die Welt bedeuten

„Die große Wörterfabrik“ – Valeria Docampo, Agnès de Lestrade

Es gibt ein Land, in dem Menschen fast gar nicht reden. Es ist das Land der großen Wörterfabrik. In diesem sonderbaren Land muss man die Wörter kaufen und sie schlucken, um sie aussprechen zu können. Sprechen ist ein teures Gut. Und während die Reichen mit Wörtern um sich schmeißen, setzen die restlichen Menschen die Wörter mit Bedacht ein. Manchmal lassen sich auch im Mülleimer Wörter aufspüren oder mit dem Schmetterlingsnetz in der Luft einfangen.

Auch Paul hat drei Wörter in seinem Netz gefangen. Er hebt sie für Maries Geburtstag auf. Mit ihnen möchte er ihr zum Ausdruck bringen, wofür eigentlich ganz viele Wörter von Nöten wären.

Ob ihn Marie trotzdem versteht?

Eckdaten

 

Gebunden, ab 3 Jahren

40 Seiten
24 x 25 cm
ISBN: 978-3-939435-26-6

Illustration: Valeria Docampo
Autorin: Agnès de Lestrade
Übersetzt von: Anna Taube

Mixtvision
14,90 € [D]

Sicher dir hier dein persönliches Exemplar…

Blickwinkel aus großen Augen

Die Bilderbücher des Erfolgsduos Agnès de Lestrade und Valeria Docampo habe ich schon lange im Visier. Als ihr erstes gemeinsames Werk aus dem Mixtvision Verlag, „Die große Wörterfabrik“, endlich auch bei uns einziehen durfte, war die Freude dementsprechend groß. Nicht nur bei mir, sondern wunderbarer Weise auch bei meiner Räubertochter. Denn Emma schloss das Bilderbuch direkt ins Herz, hat es innerhalb weniger Tage zu ihrem Liebling auserkoren. Und so haften schon nach kurzer Zeit Lebensspuren zahlreicher Lektüren auf dem Papier, stehen für die Liebe, die für dieses Buch herangewachsen ist.

Mit dem Buch fand nicht nur ein besonderer Bilderbuchschatz, sondern auch eine erste App auf unserem Tablet Einzug. Es ist die erste digitale Erfahrung, die Emma und ich gemeinsam sammeln. Denn bei Erhalt des Buchs erinnerte ich mich an die gleichnamige App zum Buch zurück, die ich schon mit meinem Neffen Joschua erobert habe. Und das spricht bereits Bände, denn er ist mittlerweile 8 Jahre alt, was heißt, dass es das Buch schon recht lange geben muss. Um genau zu sein 10 Jahre. Am 1. Juni 2020 feiert es bereits sein zehnjähriges Bestehen! Ihr werdet daher nicht nur das Buch, sondern vereinzelt auch die App auf den Fotos entdecken, die mir mit einem besonderen Mehrwert begegnet ist.

Es ist ein besonderes Land, in das wir in diesem Bilderbuch reisen. Es ist das Land der großen Wörterfabrik. Hier wird nicht viel gesprochen. Doch die Stille in diesem Land ist nicht der Schweigsamkeit der Menschen, sondern vielmehr den Wörtern geschuldet, die man käuflich erwerben und schlucken muss, um sie aussprechen zu können. Sprechen ist teuer. Manchmal lassen sich ein paar wenige Wörter im Mülleimer oder im Sonderangebot ergattern, manchmal auch mit dem Schmetterlingsnetz in der Luft einfangen. Doch einzig und allein die Wörter, die manchmal der Wind mit sich trägt, sind wirklich brauchbar. Auch Paul konnte drei Wörter mit seinem Netz einfangen. Es sind die Wörter Kirsche, Staub und Stuhl, die er sich für einen ganz besonderen Menschen aufheben will.

Marie heißt die Angebetete. Morgen ist ihr Geburtstag, und Paul möchte ihr mit den ergatterten Wörtern seine Liebe zum Ausdruck bringen. Denn für viel mehr Wörter reicht das Geld in seiner Spardose nicht aus. Doch als er im Treppenhaus auf seinen schlimmsten Feind trifft, rutscht ihm das Herz in die Hose. Denn Oskar ist reich. Er kann mit Wörtern um sich schmeißen und ist sich deshalb auch sicher, dass er das Herz von Marie gewinnen und sie eines Tages heiraten wird. Doch da hat er sich mächtig geschnitten! Denn Marie ist von Oskars Reichtum gar nicht beeindruckt, sondern hat nur Augen für den eingeschüchterten Paul, dessen Wörter sie sanft umschmeicheln und sich den Weg in ihr Herz bahnen können. Sie hat selbst keine Wörter zur Verfügung, um Paul ihre Zuwendung auszudrücken und so bedient sie sich einem sanften Kuss, den sie Paul zum Dank auf die Wange legt.

Ob es nun dem Buch selbst oder der begleitenden App zuzuschreiben ist, dass sich Emma die drei Wörter, die Paul in seinem Netz eingefangen hat, so schnell verinnerlichen und zur richtigen Stelle abrufen konnte, kann ich gar nicht sagen. Fakt ist aber, dass die App eine ganz wunderbare Bereicherung zum Buch ist. Denn durch sie gesellt sich nicht nur Klang, sondern auch Interaktion zur Geschichte. Auf sehr behutsame und kindgerechte Weise werden die Kleinen zum Mitwirken eingeladen. Sie können Wörter zuordnen und benennen lassen, Maries Kleid kirschrot färben und Pauls Wörter auf den Weg zu Marie schicken. Und so können die kleinen Leser*innen die Geschichte mit allen Sinnen erfassen. Es ist eine der wenigen Apps, die ich Emma mit gutem Gewissen erobern lassen und allen Eltern vorbehaltlos ans Herz legen kann. Neben der Möglichkeit, die Geschichte interaktiv zu erobern, kann man sie alternativ auch als Film abspielen lassen. Das schenkt Eltern gerade in Zeiten von Covid-19 ein paar wertvolle Minuten für sich und bietet Kindern eine gute und pädagogisch wertvolle Unterhaltung.

Die Geschichte um die große Wörterfabrik ist Dank Valeria Docampos stimmungsvollen und großflächigen Illustrationen nicht nur besonders schön anzusehen, sondern auch inhaltlich besonders wertvoll. Denn im Zusammenspiel mit den poetischen Zeilen der Belgierin Agnès de Lestrade, die von Anna Taube ins Deutsche übersetzt wurden, wird den Kleinen hier etwas sehr Wertvolles vermittelt. Nämlich dass auch kleine Dinge ganz Großes bewirken können. Hier sind es drei Wörter, die Paul und Marie die Welt bedeuten. Es ist der emotionale Wert, der ihnen anhaftet, und sie für die beiden so wertvoll macht. Diese Botschaft lässt auch uns Erwachsene darüber nachdenken, wie unbedacht wir oft Wörter in die Freiheit entlassen und welche Sorgfältigkeit wir beim Sprechen eigentlich an den Tag legen sollen. Darüber hinaus lernen die Kleinen hier auch, dass man manche Dinge nicht kaufen kann. Und deshalb ist es auch nicht Oskar, sondern Paul, der Maries Herz im Sturm erobert.

Ich hoffe, dass dieses wundervolle Bilderbuch noch zahlreiche große und kleine Leser für sich gewinnen kann. Dass es ihre Fantasie beflügelt und ihnen den Wert der Sprache und den wahrer Liebe aufzeigt. Es ist bereits heute sicher, dass es nicht unser einziges Werk von Docampo und de Lèstrade bleiben wird. Denn es hat sich uns bereits der Zugang zu einem Garten voller Pusteblumen offenbart. Und dem können wir kleine Pusteblumenfans uns einfach nicht verwehren…

Blickwinkel aus kleinen Augen

Emmas Urteil:

 

Hat dir das Buch gefallen?

Oh ja. Es ist gerade mein Lieblingsbuch.

Worum geht’s im Buch:

Um Wörter, ganz viele Wörter!

 

 

Lieblingsstelle im Buch:

Als Paul Marie seine drei Wörter schenkt

Bester Leseplatz:

Auf dem Kuschelteppich

 

 

 

Wie dankt Marie Paul?

„Sie gibt ihm einen Knutschi!“

Wird zu:

einer Liebhaberin der Worte

 

 

[Werbung, da Verlinkung im Text. Dieses Buch wurde mir freundlicherweise von Mixtvision als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.]