Seelenstriptease..

lesenslust über „Das hat alles nichts mit mir zu tun“ von Monica Sabolo

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Monica hat einen neuen Kollegen. XX ist gutaussehend, erfolgreich und vorallem von der Sorte unverbindlich. Auf den ersten Blick erscheint er Monica als idealer Partner. Während sich die ersten Annäherungsversuche auf das Füßeln unter dem gemeinsamen Schreibtisch und gemeinsame ‚Freaks & Geeks‘ TV-Abende beschränkt, sitzt sie bereits wenige Trips auf seiner feuerroten Vespa und einer spärlichen Anzahl heißer Nächte später vor einer gescheiterten Beziehung. Monica kann sich die unglückliche Entwicklung nicht erklären und will das Ende der XX-Ära nicht einfach so akzeptieren.  Mit Feuereifer geht sie dem unglücklichen Beziehungsverlauf auf den Grund.

In zahlreichen Sms mit XX, bei Wahrsagern und im Austausch mit toten Schriftstellern sucht sie nach einer einleuchtenden Erklärung für das Beziehungsende. Auch etlige weinselige Abende später ist sie nicht klüger als zuvor, weshalb sie beginnt, in ihrer Kindheit und den frühen Beziehungsgeschichten ihrer Mutter nach einer Erklärung für ihr Scheitern zu suchen. Irgendwie muss sich die Sache ja erklären lassen.

Zu Monicas Bedauern steht XX der ganzen Sache ziemlich entspannt gegenüber, schließlich ist er sich sicher: „das alles nichts mit mir zu tun“. Und einen neuen Sozius für die gemeinsamen Trips auf seiner knallroten Vespa hat er schließlich längst gefunden…

„In der Fantasie sind die Dinge viel bezaubernder als in der Wirklichkeit.“

Zitat, Seite 106

 Monica Sabolo offenbart uns in ihrem Buch ein kunterbuntes Sammelsurium von Erinnerungsstücken. Es sind Überbleibsel aus Liebesbeziehungen, Auszüge aus Tagebüchern, Zeilen aus Sms und Emails, Fotos, wilde Notizen und Erzählungen von Begegnungen aus dem Leben der Autorin selbst. Der Roman, der nicht ohne Grund den Zusatz ‚Liebesinventur‘ trägt, begegnet dem Leser als ein sehr buntes, innovatives und experimentierfreudiges Werk. Die Autorin selbst bezeichnet es als eine Art Seelenstriptease. Allerdings bleiben die autobiographischen Zeilen der Autorin leider nur bedingt tiefgründig und sind einer wirklichen Offenbarung ihrer Seele noch weit entfernt.

Durch die Abschnitte „Von der Blindheit“, „Die Vorgeschichte“ und „Vom Absturz“ ordnet die Autorin ihre Erinnerungsstücke bewusst bestimmten Episoden ihres Lebens zu und ermöglicht dem Leser so, die Entwicklung des Ganzen besser zu verstehen. Die anfängliche Fehleinschätzung von Monica hinsichtlich rosaroter Brille bzw. einer akuten Liebesblindheit, nahm ich im Verlauf der Geschichte zurück, weil mir eigentlich schnell klar wurde, dass ihr Verhalten nicht dem Verhalten einer normalen unglücklich Verliebten gleichzusetzen ist und viel mehr dahinter steckt als man anfangs vermutet.

„Diesen ersten Teil widmen wir dem Wunder der Liebesblindheit. Wir werden sehen, wie diese Krankheit schonungslos über den Menschen hereinbricht, während er, arglos noch und selbstsicher, durchs Leben geht. Aus wissenschaftlicher Warte ist es wichtig, wenn nicht sogar ergreifend, die Vorboten der Katastrophe zu enthüllen, jene Fingerzeige, die aufleuchten wie mit flammenden Buchstaben verfasste Warnungen und die jeder Liebende in den Wind schlägt, während er unschuldig lächelt wie ein Kind, das an den Opferstein geführt wird.“

Zitat, Seite 9

Die Geschichte zwischen Monica und XX scheint dabei nur ein kleiner Teil von Sabolos Erfahrungen zu sein. Die gescheiterte Beziehung zu ihrem Kollegen erscheint mir vielmehr als der nötige Anstoß zu der Verarbeitung viel größerer Probleme aus ihrer Vergangenheit, nämlich der Aufarbeitung ihres insgesamt unglücklichen Liebeslebens und ihrer Beziehung zu den Partnern ihrer Mutter. Die unglücklichen Erfahrungen, das ruhelose Wesen und der strauchelnde Lebensweg der Mutter hat offensichtlich so manche Wunde bei der Tochter hinterlassen und Monicas Persönlichkeit sehr geprägt.

Auch wenn die Autorin sehr viel Einblick in ihr Privatleben gibt und den Leser an intimen Gedanken teilhaben lässt, bleibt die viel interessantere Offenbarung für den Leser im Verborgenen. Sabolo, die im Umgang mit Männern scheinbar nicht viel Positives erfahren konnte und zudem Opfer eines Missbrauch wurde, kratzt lediglich an der Oberfläche eines für sie sehr prägenden und schmerzhaften Erlebnisses. Der Leser kann lediglich erahnen, welchen Schaden dieses Erlebnis im Gefühlskarussel der Autorin hinterlassen hat. Wirklich greifbar wird es für den Leser leider nicht. Sabolo schlarwenzelt für meinen Geschmack viel zu sehr, wenn auch auf geschickte Art und Weise, um das tiefgründigere und interessantere Thema herum, indem sie ihre schlechten Erfahrungen mit Überspitzheit und Humor durch den Kakao zieht. Offensichtlich ist jedoch, dass das Schreiben dieses Buches für Sabolo eine Art Befreiungsakt war. Ein Vorgang, durch den die Autorin sich scheinbar ihre Trauer, Wut und Enttäuschung von der Seele schreiben konnte und diese Gefühle dem Leser während dem Leser auch nicht verborgen bleiben.

„Wie eine Luftblase, die sachte, ganz sachte, vom Meeresgrund aufsteigt, brachen sich plötzlich Bilder einer lange verdrängten Routine Bahn. Mit einem Plopp so sanft und still wie der Tod erschien in der Dunkelheit vor ihren Augen auf einmal ein hell leuchtendes Aquarium, Fische glitten zwischen den Algen hin und her und die Hand von Yves S. unter ihr Nachthemd.“

Zitat, Seite 132

Das Ende ist derart abrupt, dass es mich unbefriedigt zurücklässt, weshalb mir selbst die Illusion auf ein seeliges Ende genommen wurde.

<3 <3 <3