Eine Woge an Worten zur Blogparade „Seesucht“

[Werbung, Verlosung]

Seesucht

Die Wortspielerei, die sich aus der Sehnsucht zum Meer formt, umschreibt es genau, dieses Gefühl, das in mir aufkommt, wenn ich an meine Besuche auf Sylt denke. Barfuß am Ellenbogen der Insel entlang. An die weit zurückliegenden Urlaube in Italien in meiner Kindheit. Mit einer klebrigen Eiswaffel in der Hand und einem Sonnenhut auf einer Bank am Meer sitzend. An unsere Besuche an der Nord- und Ostsee. Die Luft, erfüllt von einer salzigen Meeresbrise, kreischenden Möwen und meinem wehendem Haar. An diesen unbeschwerten Moment an der niederländischen Küste im letzten Jahr. Mit einer vor Freude quiekenden Räubertochter, deren Füße das erste Mal vom Meer umspült wurden.

Und plötzlich ergreift mich eine ungeheure Welle der Wehmut. Die Sehnsucht nach dem Meer macht sich in mir breit. Denn das Wasser war schon immer mein Element. Hier, im kühlen Nass, fühle ich mich genauso schwerelos und frei wie wenn ich einen Berg erklimme und am Gipfel die kristallklare Bergluft in mir aufnehme. Ich konnte mich noch nie wirklich zwischen den Bergen und dem Meer entscheiden. Für eine Kombination aus beidem wohl eher. Und doch waren meine Treffen mit dem Meer in den letzten Jahren rar.

Doch jetzt bin ich wieder mittendrin, im erquickenden Spiel der schwappenden Wellen, meine Füße im körnigen Sand vergraben, ein paar spitze Muscheln zwischen meinen Zehen, meine Beine von glitschigen Algen und tummelnden Fischen umgeben. Ich lasse mich locken. Springe hinein, ins tiefdunkle Blau, gebe mich den unendlichen Weiten des Meeres hin und tauche unter, in die faszinierende Unterwasserwelt.

„Komm her. Komm mit. Komm rein. Und als keiner hinsieht, hüpft er hinein.“

Ich bin in ein Bilderbuch abgetaucht, das lebendiger nicht sein könnte. Das Faszination, Sehnsucht und Freiheit in sich birgt und gleichzeitig in einem hervorruft. Wir begleiten Jonas, der sich mit zwei Jahren in das Meer verliebt. Es fasziniert ihn so sehr, dass er schon als Kind unerschrocken hineinspringt. Und sich direkt am salzigen Wasser verschluckt. Seine Mutter fischt ihn heraus, hält das Ufer für den geeigneteren Ort. Doch was von da an bleibt, ist die Seesucht. Das Meer ist Jonas‘ Element. Das spürt er auf Anhieb. Wie gerne würde er im Einklang mit der Unterwasserwelt leben. Mit Fischen schwimmen, Quallen spielen und sich im dichten Seegras verstecken. Immer wieder spült es ihn zurück ans Meer. Mit 8, mit 18, mit 30, mit 80. Über all die Jahre verfolgt er einen Plan, den er im Alter von 8 Jahren fasst. Er will einen Tauchapparat bauen, durch den er mit den Tiefen des Meeres für immer verbunden sein kann. Er sammelt Strandgut, versucht sich an wilden Unterwasserkonstruktionen. Doch sein Weg ist lange und steinig. Es dauert ein ganzes Leben, bis sein Traum Wirklichkeit wird. Wie gut, dass er sich nicht beirren lässt. Selbst wenn er Rückschläge erleiden und dem Meer vorübergehend den Rücken kehren muss.

Was Marlies van der Wel mit „Seesucht“ erschaffen hat, ist eine jener Bilderbuchperlen, die das Meer von Bilderbüchern nur selten zu Tage bringt. Das berauschend schöne Bilderbuch, das auf dem Kurzfilm „Jonas and the Sea“ basiert, birgt auf 78 Seiten eine ganze Bandbreite an ausdrucksstarken Illustrationen in sich, die von Emotionen und Blautönen getränkt sind. Die Geschichte lebt von ihren großflächigen und atmosphärischen Bildern, die einen beim Lesen förmlich gefangen nehmen und von ganz schlichten Zeilen begleitet werden. Doch es sind nicht nur die technisch ausgeklügelten Strandgut-Tüfteleien und Tauchgänge, die einem nach der Lektüre dieses Bilderbuchs im Gedächtnis bleiben, sondern auch die Rückschläge, die Jonas zu erleiden hat. Als er das erste Mal kentert und tieftraurig am Strand steht, als ihn eine große Welle an den Strand zurückschleudert oder das große Fangnetz der Fischer erfasst. Das Gelächter der Fischer hallt in Jonas lange nach. Es zehrt an ihm. Es entmutigt ihn. Und lässt ihn sogar für eine Weile dem Meer den Rücken zukehren. Bis eines Nachts im Winter ein riesiger Sturm wütet und Jonas den richtigen Zeitpunkt für das Wiedersehen mit dem Meer gekommen sieht.

„Jonas nimmt, was das Meer ihm gibt.“

Diese tiefe Verbundenheit, die Jonas vom allerersten Moment an zum Meer verspürt, ist auf allen Seiten des Bilderbuchs spürbar. Wie durch ein unsichtbares Band sind die beiden miteinander verbunden. Das Band scheint zum Ende hin vermeintlich lose im Wasser zu schwappen, doch reißen tut es nie. Jonas und das Meer verschmelzen zu einer Einheit. Es ist sein Glaube, sein Mut und seine Hartnäckigkeit, die sich am Ende auszahlen. Marlies van der Wel zeigt mit ihrem Bilderbuch auf wunderbare Weise, dass es sich lohnt, seine Träume zu verfolgen. Und dass manche Dinge ihre Zeit brauchen. Sie schenkt kleineren Leser*innen wunderbar faszinierende Tauchgänge und größeren Leser*innen eine ermutigende Lektüre mit Tiefgang, die uns über unsere eigenen Sehnsüchte und Träume nachdenken lässt. Das Bilderbuch lässt die Herzen all jener Leser*innen höher schlagen, die sich dem Meer verbunden fühlen und die aktuell eine große Seesucht umtreibt.

„Mitten im Meer. Für immer.“

Eckdaten

Seesucht

Gebunden, ab 4 Jahren

78 Seiten
ISBN: 978-3-95854-164-1

Illustration & Text: Marlies van der Wel
Übersetzung: Birgit Erdmann

Mixtvision
20,00 € [D]

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Blubb, blubb, Glück 

Hast du Lust, mir deine größte Sehnsucht zu verraten? Als kleinen Dank für deine persönliche Woge an Worten verlose ich unter allen Kommentaren ein Exemplar des Bilderbuchs. Denn im Rahmen von Katjas Blogparade darf ich mit Unterstützung von Mixtvision ein Exemplar von „Seesucht“ an euch verlosen. Teilnehmen könnt ihr mit einem Kommentar hier auf dem Blog oder unter meinem Instagram-Post. Jeder Kommentar ist eine Gewinnchance. 

Teilnahmebedingungen:

Du bist mindestens 18 Jahre alt und hast eine Postadresse in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz. Die Verlosung startet mit Freischaltung der Beiträge und endet am Montag, 10. April 2021, 23:59 Uhr. Das Los entscheidet. Barauszahlung und Rechtsweg sind ausgeschlossen. Der Versand erfolgt durch Mixtvision. Dafür gebe ich die Adresse des Gewinners bzw. der Gewinnerin an den Verlag weiter.

Viel Glück!

Wenn das Leben über einen hereinbricht

„Offene See“ – Benjamin Myers

Dumont Verlag, erschienen am 20. März 2020, Preis 20,00€ [D], hier geht’s zum Buch

„Das Leben wartete da draußen, bereit, gierig getrunken zu werden. Vertilgt und verschlungen zu werden. Meine Sinne waren erwacht und unersättlich, und ich schuldete es mir selbst und all den anderen meiner Generation, […] mich mit dem Leben vollzustopfen.“

Zitat, Seite 16

Es ist ein ländliches Bergarbeiterdorf in einer sanft gewellten Landschaft, irgendwo zwischen der Stadt und dem blaugrünen Meer. Von dort bricht er auf, um der Enge seines Elternhauses zu entkommen, mehr von der Welt zu sehen und und sein wahres Ich zu finden. Seinen Rucksack hat er nur mit dem Nötigsten bestückt. Die Sehnsucht nach dem Meer und nach Freiheit treiben ihn voran. Und so bildet Robert schon bald eine Symbiose mit der facettenreichen Natur Nordenglands, die mit einem abwechslungsreichen Terrain aus Heidelandschaften und Wäldern, Mooren und Bergen, Schluchten und Tälern aber auch dem Gefühl grenzenloser Freiheit aufwartet.

Es ist die Zeit nach dem Krieg. Einem Krieg, der noch immer in den Menschen wütet, sich wie eine schwarze Blume mit ihrem Herzen verwurzelt hat. Die Erinnerungen an das Gesehene wirken toxisch, lassen entkräftete und verstörte Seelen zurück. Robert sucht sich nebenbei Arbeit als Tagelöhner, ersetzt die Kriegsverluste oder verlorenen Seelen. Und mit jedem Schritt und jeder Weggabelung, die er hinter sich lässt, kann er auch seine jugendliche Haut abstreifen.

Er strandet in einem alten von Wildem Wein überwuchertem Cottage mit angrenzender Wildwiese unweit vom Meer entfernt. Hier trifft er auf Dulcie, einer unerschrockenen, belesenen, rede- und weltgewandten Dame mittleren Alters und ihrem Hund Butlers. In ihrem wilden Garten schlägt Robert für mehrere Tage sein Lager auf, erledigt kleine Garten- und Ausbesserungsarbeiten für Dulcie, die seinem Gaumen im Gegenzug zu kulinarischen Leckerbissen verhilft. Und so genießt Robert nicht nur das erste Mal eine Reihe von kulinarischen Köstlichkeiten, die ihm durch seine bescheidenen Familienverhältnisse bislang verwehrt geblieben sind, sondern auch seinen ersten Vollrausch. Und obwohl den 16-jährigen und die Frau mittleren Alters ein erheblicher Altersunterschied trennt, führen sie fortan ausschweifende Gespräche über Gott und das Leben. Es ist Dulcie, die Robert zeigt, was das Leben so alles für einen bereithält und dass es sich darum kämpfen lohnt, selbst entscheiden zu dürfen, wohin einen der Weg führt.  

„Ich atmete tief ein, roch Erde, Bärlauch, Kräuter, schwebende Pollen und den Duft der salzigen Seeluft. Ein Sinnenschmaus. Die winzigsten Details wurden glasklar: das Rippengefüge eines kleinen welken Blattes, das seit dem Winter unberührt geblieben war, das Beben eines einsamen wilden Grashalms, während andere ringsherum reglos blieben. Auch das leise Hecheln des Hundes fiel in den Takt meines eigenen Herzens mit ein, das einen sanften Rhythmus aus rauschendem Blut in meinem Trommelfellen schlug. Ein einzelner Schweißtropfen rann an meiner linken Schläfe herab. Ich fühlte mich lebendig. Herrlich, irrsinnig lebendig.“

Zitat, Seite 53

Es war ein einziger Tag am Meer, den wir in unserem Urlaub an der niederländischen Küste verbracht haben. Er war erfüllt von einem Bad im sonnenerhitzten Meer, dem Muscheln sammeln und den Freudenschreien einer kleinen Räubertochter, die das erste Mal in ihrem Leben von Salzwasser umspült wurde. Ein kurzer Augenblick des Glücks, der von einer großen Gewitterwolke jäh beendet wurde, die sich fast vollständig über uns entladen hat und uns wenig später an der regennassen Promenade entlang schlendern, barfuß durch Pfützen hat waten lassen. Und dennoch. Es war da, dieses Gefühl von grenzenloser Freiheit, das mich durchströmt, wenn ich das Meer sehe. Wie Balsam hat es sich auf meine Seele gelegt und eine Träne in die Freiheit entlassen, die sich in meinem Auge gesammelt hat. Vor Glück. Wir haben uns so lange nicht gesehen. Das Meer und ich.

Meine diesjährige Urlaubslektüre hätte ich nicht besser wählen können. Hatte ich doch bereits kurz vor dem Erscheinen in „Offene See“ hineingeschnuppert und mich schon an den ersten Zeilen gelabt, die mich umspült haben wie das Meer selbst. Es war die beste Entscheidung, mir diese Perle für einen besonderen Moment aufzuheben; für den Urlaub, der so lange auf sich warten hat lassen und mir im aller letzten Moment doch noch vergönnt war. Und auch als der Urlaub längst vorbei und ich wieder zuhause war, genoss ich die letzten Seiten von „Offene See“ noch in vollen Zügen. Es erschien mir fast, als habe sie mich noch ein bisschen weiter getragen, die Sehnsucht nach dem Meer, von der auch der junge Robert vorangetrieben wird. Es ist sein Wunsch nach grenzenloser Freiheit, nach Abenteuer und nach Leben, den ich so gut nachempfinden konnte; sein neugieriges Wesen, dass das mir auf Anhieb sympathisch war. Ich verstand, warum er nicht in die Fußspuren seines Vaters treten möchte. Warum er das Leben in der freien Natur dem Leben unter Tage vorzieht. Nicht der Bergbauer werden will, den sein Vater in ihm sieht.

„Ein gutes Gedicht bricht die Austernschale des Verstandes auf, um die Perle darin freizulegen. Es findet Wörter für Gefühle, deren Definitionen sich allen Versuchen des verbalen Ausdrucks entziehen.“

Zitat, Seite 111

Myers‘ Zeilen begegnen einem wie Offenbarungen. Seine Beschreibungen sind melodisch. Poetisch. Nachhallend. Er scheint für alles die richtigen Worte zu finden. Verleiht seinem Roman damit eine ungeheure Kraft und Lebendigkeit. Man wiegt sich nahezu in den atmosphärischen Zeilen, die die Umgebung erwachen und zu ihrer vollen Schönheit entfalten lassen. Und so umgibt dich während dem Lesen eine unglaubliche Unbeschwertheit und Ruhe. Sie lassen uns die Natur und die Landschaft Englands vollends in uns aufnehmen, ihre Schönheit mit allen Sinnen erfassen. Die Willkürlichkeit des Moments wird unser Navigator, lässt es zu, dass wir in in diesem Kleinod stranden. 

Doch Myers findet nicht nur brillante Worte, er ergänzt seine Zeilen auch um die namhafter Künstler, bringt Textstellen, AutorInnen und Werke ins Spiel und verschafft damit nicht nur seinem jungen Protagonisten sondern auch seinen Lesern Zugang zu guter Literatur, zu Musik und zur Lyrik. Er zitiert Stellen aus dem Koran, empfiehlt Robert D.H. Lawrence, Whitman, Sheley, John Clare, Robinson Jeffers, Emily Dickinson, Christina Rossetti und Emily Bronte. Die weise Dulcie wird dabei zu Myers Sprachrohr. Sie ist es, die Robert an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben lässt, ihm das Leben schmackhaft macht und ihn darin bestärkt, für ein selbst bestimmtes Leben zu kämpfen. Und so bringt Dulcie einen Reifeprozess ins Rollen, der aus dem jungen Robert einen Mann formt, in dem Begehren erwacht.   

Dulcie begegnet uns als sehr starke widerstandsfähige Persönlichkeit. Sie scheint bereits alles gesehen zu haben, pflegt die richtigen Kontakte, verfügt über die notwendigen Mittel, um Haus und einen umfangreichen Fuhrpark unterhalten zu können. So leicht scheint sie nichts aus der Bahn zu werfen. Doch als Robert in ihrem verwilderten Schuppen auf einen Gedichtband namens „Offene See“ stößt und sie damit konfrontiert, beginnt ihre Fassade zu bröckeln und ein verdrängtes Erlebnis kämpft sich mit aller Macht in ihr Bewusstsein zurück. Und plötzlich ist es Robert, der Dulcie dazu verhilft, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und sich mit der offenen wütenden See zu versöhnen. 

Es war mir ein wahres Vergnügen mich in (die) „Offene See“ zu stürzen. Meine Reise mit Robert und Dulcie hat mir die Augen geöffnet, meine Sinne erweitert und mir ein Gefühl von unbändiger Freiheit geschenkt. Es ist ein Abenteuer, das ich so schnell nicht vergessen und dem ich noch eine ganze Weile nachhängen werde.

„Während ich jetzt hier am offenen Fenster sitze, ein Glissando von Vogelstimmen auf einer hauchzarten Brise, die den Duft eines letzten nahenden Sommers in sich trägt, klammere ich mich an die Dichtung, wie ich mich ans Leben klammere.“

Zitat, Seite 11

Kinderfreuden #40: Weil Freunde unersetzbar sind

„Der kleine Bär und das Meer“ – Tom Percival

„Sofias Bär war alt, etwas zerzaust und wurde heiß geliebt.“

Sie sind die besten Freunde: Sofia und ihr Teddybär. Jeden Tag erobern sie das Leben gemeinsam. Der Bär ist Sofias Ein und Alles, ein vererbtes Kuscheltier ihrer verstorbenen Mama. Als sie ihn an einem gewittrigen Sommertag am Meer verliert, ist sie todunglücklich. Sein Verlust wiegt schwer. Wie soll sie fortan nur ohne ihn auskommen?

Doch das Meer ist aufmerksam und hat alles genau beobachtet. Es will alles dafür tun, dass die Freunde wieder zusammenfinden. Dafür braucht es allerdings ein bisschen Zeit. Mehr, als es gedacht hätte…

Eckdaten

 

Hardcover, ab 4 Jahren

32 Seiten
28,3 x 25 cm
ISBN: 978-3-7432-0443-0

Illustration: Tom Percival
Übersetzt von: Nadine Mannchen

Loewe Verlag
13,95 € [D]

Sicher dir hier dein persönliches Exemplar…

Blickwinkel aus großen Augen

Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich „Der kleine Bär und das Meer“ im Buchladen erspäht habe. Schon beim Anblick des Covers wusste ich, dass hier etwas ganz Besonderes auf mich wartet. Und ich wurde nicht enttäuscht. Denn was hinter dem Buchdeckel auf einen wartet, sind nicht nur Illustrationen von besonderem Zauber, sondern auch eine magische Geschichte.

Geschichten über Freundschaft gibt es wahrlich viele. Was aber passieren kann, wenn beste Freunde voneinander getrennt werden, erzählt diese hier. Tom Percival macht in seinem Bilderbuch das Meer nicht nur zur wunderbar stimmungsvollen Kulisse, sondern auch zum tatkräftigen Unterstützer. Als sich Sofia und ihr Bär bei einem Sommergewitter am Meer verlieren, beschließt es nämlich, die beiden wieder zusammenzubringen.

Doch das Unterfangen gestaltet sich schwierig und so muss der Bär sich erst auf eine lange, abenteuerliche Reise begeben, ehe er sich wieder in die Arme seiner Freundin schmiegen darf. Mithilfe von wunderbar atmosphärischen Bildern dürfen die Kleinen den Bären bei seiner Reise zurück zu Sofia begleiten, sich mit ihm durch die faszinierende Unterwasserwelt, durch tosende Wellen und durch Seen und Flüsse auf dem Land begeben. Das Wasser bleibt dabei immer ein fester Bestandteil in den Illustrationen. So wird das Meer die leitende Kraft, es fügt auf magische Weise zusammen, was voneinander getrennt wurde.

„Immer wieder fand das Meer einen Weg, den Bären durchs Wasser zu geleiten.“

Und so ist es nicht nur die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die hier erzählt wird, sondern auch eine von Verlust. Von den Gefühlen, die einen übermannen, wenn einem das Liebste genommen wird und von der Trauer, die Sofia durchlebt, als sie ihren Bären einfach nicht wiederfinden kann. Der Vater versucht alles, um den verloren gegangenen Bären zu ersetzen. Erfolglos! Denn die neuen Bären tragen keine Erinnerungen an ihre Mutter in sich, sind in Sofias Augen völlig wertlos. Und so lernen schon die Kleinsten, dass manche Dinge unersetzbar sind und von unschätzbarem Wert für uns werden können. In Sofias Fall wiegt Teddys Verlust schwer. Denn das Mädchen musste sich bereits früh von ihrer Mama verabschieden. Der Bär ist ein vererbter Wegbegleiter, den die Mutter bereits von ihrem Papa geerbt und an ihre Tochter weitergegeben hat. Alles was Sofia nun von ihr bleibt, ist ein Foto in einem Medaillon.

Aber „was lange währt, wird endlich gut“. Und so gelingt es dem Meer, Sofia und ihren Bären nach langer langer Zeit wieder zu vereinen. Es ist Sofias Enkelin, die den Bären eines Tages aus einem Bach fischt und der mittlerweile zur Großmutter gealterten Frau bringt. Doch auch das hohe Alter, das Sofia am Tag ihres Wiedersehens bereits erreicht hat, kann die Wiedersehensfreude mit ihrem Bären nicht trüben! Denn beste Freunde gehören eben zusammen – egal in welchem Alter!

Durch das harmonische Zusammenspiel von Tom Percivals eindrücklichen Illustrationen, die einem wie eine Mischung aus Aquarellmalerei und moderner Drucktechnik begegnen, und den gefühlvollen Zeilen von Nadine Mannchen ist hier ein wunderbar stimmiges Bilderbuch über Freundschaft, Verlust und die kleinen Wunder des Lebens entstanden. Und vielleicht tröstet es sogar den ein anderen über ein verloren gegangenes Kuscheltier hinweg. Denn wer weiß – vielleicht findet es eines Tages wieder den Weg zurück…

„Nichts ist je wirklich verloren, solange man es im Herzen behält.“

Blickwinkel aus kleinen Augen

Emmas Urteil:

 

Hat dir das Buch gefallen?

Ja

Reaktion als der Bär aus der Tasche fiel:

„Oh nein!“

 

 

Lieblingsstelle im Buch:

Als Bär und Sofia wieder vereint sind

Bester Leseplatz:

Auf dem Kuschelteppich

 

 

Wie groß ist Sofias Wiedersehensfreude?

„Soooo groß!“

Wird zu:

einer besten Freundin

 

 

 

[Werbung, da Verlinkung im Text. Dieses Buch ist selbst gekauft.]

 

Kinderfreuden #34: Ein Unterwasserabenteuer

„Meer – Die Welt unter den Wellen“ – Britta Teckentrup

Das leuchtende Korallenmeer ist voller Wunder – schau mal her!

Das Meer ist ein Tummelplatz voller faszinierender Meeresbewohner: hier finden sich anmutige Seepferdchen zum Tanz; Fische, Quallen und Oktopusse schwimmen zwischen den Algen umher, knisternde Aale schleichen über den Meeresboden und Buckelwale und Delfine schwimmen unter der Wasseroberfläche um die Wette.

Dieses Bilderbuch schickt seine Leser auf ein faszinierendes Unterwasserabenteuer. Es zeigt ihnen nicht nur den Facettenreichtum des Meeres, sondern gibt ihnen auch ein achtvolles Miteinander mit auf den Weg, durch die wir das Meer und seine Bewohner schützen können.

Eckdaten

Hardcover, ab 4 Jahren

32 Seiten
280 x 232 mm
ISBN: 978-3-8458-3016-2

Illustration: Britta Teckentrup
Übersetzt von: Cornelia Boese

arsEdition

15,00 €

Sicher dir hier dein persönliches Exemplar…

Blickwinkel aus großen Augen

Schon seit Jahren weiß ich um die wundervollen Bilder, die Illustratorin Britta Teckentrup mit ihrem Pinsel zum Leben erweckt. Mit „MEER – Die Welt unter den Wellen“ ist das erste Bilderbuch aus ihrer Hand in das Bücherregal meiner Räubertochter eingezogen.

Als ich das Bilderbuch auf der „Münchner Bücherschau junior“ entdeckt habe, konnte ich selbst kaum die Augen davon abwenden. Es kommt so bunt, lebendig und wunderschön daher, dass man sich kaum daran sattsehen kann. Und als uns das Buch dann zuhause erreicht hat und ich sah, wie viel Freude Emma damit auf Anhieb hatte, wusste ich, dass es nicht bei einem Werk der Illustratorin bleiben wird.

Mit ihren Bildern, die auf nahezu magische Weise daherkommen, nimmt Teckentrup die Kinder mit auf eine wundervolle Reise durch die Unterwasserwelt. Und dabei lernen sie nicht nur die wunderschöne Unterwasserlandschaft und ihre Meeresbewohner kennen, sondern wissen bald auch um die Gefahren, die sie umgibt. Denn in den Bildern begegnen wir nicht nur tanzenden Seepferdchen, zahlreichen Fischen, glänzenden Aalen und glitzernden Quallen, sondern auch einem gefährlichen Hai.

Doch die Natur ist erfinderisch und so zeigt Teckentrup, wie zahlreiche Meeresbewohner für die Gefahr gewappnet sind: dass die Stacheln des Feuerfischs voller Gift sind, der Kugelfisch sich aufblähen und der Tintenfisch mit Tinte um sich spritzen kann. Und dass auch die kleinsten Fische sich zu einem Schwarm zusammenfinden und in der Formation als großer Fisch ihre Feinde in die Flucht schlagen können. Doch auch die Größten unter den Meeresbewohnern bleiben in diesem Bilderbuch nicht unerwähnt, und so schwimmen auch Delfine, Wale und Seekühe durchs Bild. Durch die begleitenden Texte, die in Reimform daherkommen und wunderbar in den Kopf gehen, lernen wir, wie klug und flink Delfine sind, wie der der Wal als Meereskönig das Meer zum Klingen und die sonderbaren Seekühe ihre Umgebung zum Erschüttern bringen können.

Doch das Bilderbuch, das darüber hinaus mit zahlreichen Gucklöchern versehen ist und bereits klitzekleine Einblicke auf die nächste Seite freigeben, eignet sich nicht nur wunderbar zum Entdecken, sondern auch, um den Kindern einen respektvollen Umgang mit dem Meer nahezubringen. Ihnen zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Weltmeere sauber zu halten und damit den Lebensraum zahlreicher Meeresbewohner aufrecht zu erhalten.

Das Bilderbuch ist eine wahre Bilderbuchperle. Durch seine farbenfrohen und leicht zugänglichen Illustrationen ermöglicht es schon den Kleinsten einen Zugang zur Geschichte zu finden. Und so wundert es mich nicht, dass die Geschichte dieses Bilderbuchs, die für Kinder ab vier Jahren empfohlen wird, von Emma bereits ohne Probleme erfasst werden kann. Ihrem aufmerksamen Blick ist nicht entgangen, dass fast auf jeder Seite ein Clownfisch zu erspähen ist, den wir den Namen Nemo gegeben haben!

Uns so hat dieses Bilderbuch unser Herz im Sturm erschwommen!

„Korallenriffe sind ein Schatz, ein Meerestiere-Tummelplatz. Drum schützt das Meer, den Zauberort, und alle unsre Freunde dort!

Blickwinkel aus kleinen Augen

Emmas Urteil:

 

 

Gefällt dir das Buch?

Oh ja!

Was hat dir besonders gefallen?

Die tanzenden Seepferdchen, die glitzernden Quallen

 

 

Lieblingsmeeresbewohner im Buch:

Der Clownfisch Nemo

Lieblingsstelle im Buch:

Als der Ozean im Dunkeln zu Funkeln anfängt

Bester Leseplatz:

Auf dem Kuschelteppich, von allen kuscheligen Meeresbewohnern umgeben

 

Worauf macht das Buch Lust?

Auf einen Tauchgang unter Wasser

Schlüpft in die Rolle von:

Einer kleinen Entdeckerin

[Werbung: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise von arsEdition als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt]

Kinderfreuden #19: Wiedersehen mit dem Sturmwal

„Nick und das Meer“ – Benji Davies

Jeden Tag fährt Nicks Papa mit seinem Fischerboot aufs Meer hinaus und kommt bei Sonnenuntergang wieder nach Hause. Doch eines Wintertags wartet Nick vergebens auf seine Rückkehr. Denn es bleibt still. Kein Fischerboot weit und breit.

Nick beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. In der dunklen und gefährlichen Nacht macht er sich auf die Suche nach seinem Papa, dessen Fischerboot von der Kälte des Winters übermannt wurde.

Zum Glück eilt ihm ein alter Freund zur Hilfe, auf dessen tatkräftige Hilfe Nick angewiesen ist: es ist der Sturmwal höchstpersönlich!

Eckdaten

Hardcover, ab 3 Jahren

32 Seiten
284mm x 251mm
ISBN: 978-3-8489-0125-8
Übersetzt von Johanna Hohnhold

Aladin Verlag
14,95 €

Sicher dir hier dein persönliches Exemplar…

Blickwinkel aus großen Augen

Dass Benji Davies magische Hände hat, bewies der Illustrator bereits mit seinen drei Vorgängerwerken „Nick und der Wal“, „Beste Freunde“ und „Opas Insel“, die alle auf ihre ganz eigene Art und Weise verzaubern. Im März erschien nun endlich die langersehnte Fortsetzung des Kinderbuchlieblings „Nick und der Wal“ auf Deutsch, das ich zwischenzeitig schon im Original in den Händen hatte.

„Nick und das Meer“ ist eine Wintergeschichte, die, wenn ich so an das morgendliche münchnerische Schneegestöber denke, auch noch ganz wunderbar in den eigenwilligen April passt.

Nick, der mit seinem Papa am Meer wohnt, kann die Wal-Begegnung aus dem letzten Sommer nicht vergessen. Er vermisst den Sturmwal, dem er damals das Leben gerettet und in seiner Badewanne aufgepäppelt hat, ehe er ihn wieder in die Freiheit entließ. Ständig meint er ihn in herangespültem Strandgut zu erkennen, das sich dann doch nur als bemooster Anker offenbart. Der Winter kommt und ergreift Besitz vom Meer, das sich langsam aber sicher mit Eisschollen füllt und Nicks Papa zu einer letzten Fahrt mit dem Fischerboot hinausschickt. Doch als die Dämmerung einsetzt und der Papa immer noch nicht zurück ist, wagt sich Nick in die dunkle Nacht hinaus, um nach ihm zu suchen. Das inzwischen zugefrorene Meer ist nur noch als eisige Decke zu erkennen und ermöglicht Nick ein waghalsiges Manöver über das starre und knirschende Meer bis hin zum Fischerboot seines Papas, das vom Eis eingeschlossen ist. Völlig erschöpft schläft er in der Jacke seines Vaters ein, die das Einzige ist, was er an Bord von seinem Papa findet.

Es ist ein mächtiger Rumms, der Nick aus dem Schlaf reißt und ihn die Rückkehr seines Walfreunds ankündigt. Endlich kann der Sturmwal sich für das Rettungsmanöver aus dem letzten Sommer revanchieren und Nick mitsamt dem Fischerboot wohlbehalten wieder an Land bringen, an dem ihn sein Papa voller Verwunderung in die Arme schließt.

Mit „Nick und das Meer“ erzählt Davies nicht nur eine einfühlsame Vater-Sohn-Geschichte, sondern auch die Geschichte einer besonderen Freundschaft zu den sanften Riesen des Meeres.

Mithilfe von großflächigen Illustrationen werden große und kleine Entdecker durch die Geschichte geleitet, die sich durch die lebendigen und in facettenreichen Blau- und Grautönen gehaltenen Bildern entfaltet. Der begleitende Text präsentiert sich dabei zurückhaltend und schlicht, dient lediglich als Hilfswerk.

Davies schenkt seinem Nick und den Kleinen ein Wiedersehen mit dem Sturmwal inmitten einer faszinierenden Winter-Szenerie. Die Magie ihrer Freundschaft ist selbst durch das stürmische Schneegestöber und die Tristesse des ewigen Eises zu erkennen, die dem Kinderbuch als Schauplatz dient.

Ein gelungenes Wiedersehen mit dem Sturmwal.

<3 <3 <3 <3 <3

Blickwinkel aus kleinen Augen

Joschuas Urteil:

Steckbrief Joschi Blog 2Gefällt dir das Buch? Ja

Was hat dir besonders gefallen? die Wale

Worum geht die Geschichte? um die Rückkehr des Sturmwals

Wo steht das Buch im Regal? neben „Nick und der Wal“

Lesezeit: wenn es draußen dämmert

Bester Leseplatz: im kuscheligen Bett

Schlüpft in die Rolle von: einem Freund

Meeresenzyklopädie

„Das Buch vom Meer“ – Morten A. Strøksnes

Autor: Morten A. Strøksnes | Seiten: 368 | Gebundenes Buch, Leinen 19.99 € | ISBN: 978-3-421-04739-7 | Erscheinungstermin: 29.08.2016 | DVA Verlag

„Die größten Entdeckungen warten im Meer.“

Zitat, Seite 21

In den Tiefen des Nordatlantiks lauern sie: die sagenumwobenen Eishaie. Es ist der gemeinsame Traum von Morten A. Strøksnes und Hugo Aasjord, einen von ihnen zu fangen. Ein schwieriges Unterfangen, das absolute Windstille erfordert und den Launen der Natur unterliegt. Denn das Gebiet zwischen dem norwegischen Festland und den Lofoten ist unberechenbar: das Warten auf Windstille erfordert Geduld.

Voller Tatendrang fahren die beiden Freunde raus aufs Nordmeer und beobachten beim Warten das Schauspiel der Natur: sie lauschen dem sanften Flüstern und der peitschenden Gischt des Meeres, atmen die salzige Seeluft ein und blicken in das unergründliche tiefe schwarze Meer, das so viele Geheimnisse in sich birgt.

„Die Moleküle setzen sich in schwindelerregendem Tempo zu ständig neuen Variationen zusammen, so wie sich Buchstaben zu neuen Wörtern fügen, um dann zu Sätzen und am Ende zu ganzen Büchern werden. Stellt man sich die Wassermoleküle als Buchstaben vor, könnte man sagen, dass das Meer alle Bücher enthält, die jemals in bekannten oder unbekannten Sprachen geschrieben wurden.“

Zitat, Seite 135

Die Insel Skrova, die zur beeindruckenden Inselgruppe der Lofoten zählt, wird dabei zum Ausgangspunkt des Haifangprojekts. Hier gewährt ihm sein Künstlerfreund Aasjord Unterschlupf in der ehemaligen Fischfabrik Aasjordbruket, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau Mette zu einem Kulturzentrum umbaut.

Doch die anfängliche Euphorie, eins der ungeheuerlichsten Meereswesen ins Netz zu bekommen, ebbt über die Zeit ab. Das kleine Schlauchboot der beiden Freunde scheint den unberechenbaren Strömungen des Nordmeeres nur bedingt standzuhalten und lässt sie ihr Unterfangen langsam aber sicher in Frage stellen.

„Das tiefe, salzige, schwarze Meer brandet uns entgegen, kalt und gleichgültig, ohne jede Empathie. Es ist sich selbst genug, es braucht uns nicht, es schert sich nicht um unsere Hoffnungen, unsere Ängste – und schon gar nicht um unsere Beschreibungen. Die dunkle Masse des Meeres ist von überlegener Kraft.“

Zitat, Seite 216

Während die Wellen die Sagen und Mythen des Meeres an ihr Boot spülen, erzählt Strøksnes unterdes vom schier unermesslichen Facettenreichtum der Meeresbewohner, von mutigen Polarforschern, Walfängern, Kartografen und vom harten Alltag der norwegischen Inselbewohner. Auch vor der Brutalität des Walfangs, der Überfischung der Meere und der unerschütterlichen Jagd auf die Eishaie macht er keinen Halt und würzt sein Werk mit grausamen Wahrheiten.

Der Norweger erweist sich über sein gesamtes Werk als sensibler und aufmerksamer Beobachter. Durch seine detailgetreuen und farbenfrohen Beschreibungen erwacht nicht nur das Insel- und Meerestreiben zum Leben, sondern macht „Das Buch vom Meer“ auch zu einer abenteuerlichen Entdeckungsreise. Es liest sich daher wie eine Mischung aus Sachbuch und Belletristik. Der unterhaltsame Ton des Autors hilft dem Leser dabei über so manche Flut an naturwissenschaftlichen Informationen hinweg.

Es ist ein Sehnsuchtsbuch. Ein Buch, das vor Leben sprudelt und die Faszination um das Meer in sich trägt. Strøksnes schenkt uns mit seinem Werk sowohl eine Meeresenzyklopädie als auch einen lebendigen Reiseführer. Es reserviert dir einen Platz auf dem Schlauchboot und katapultiert dich unvermittelt raus aufs Meer. Damit bin ich meinem Wunschreiseland Norwegen schon ein kleines bisschen näher gekommen.

„Das Meer ist der Ursprung aller Dinge. Wellen einer weit zurückliegenden Urzeit durchströmen uns wie das leise Echo eines sanften Plätscherns in einer unzulänglichen Höhle am Meer. Manchmal, wenn wir bei einem starken Sturm am Ufer stehen, hat es den Anschein, als verlangte uns das Meer zurück.“

Zitat, Seite 163

Leuchtturm von Skrova – ©Morten A. Strøksnes

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Wellengang im Kopf

„Tage zwischen Ebbe und Flut“ – Carin Müller

Autorin: Carin Müller | Seiten: 288 | Taschenbuch 9.99 € | ISBN: 978-3-426-51973-8 | Erscheinungstermin: 01.09.2016 | Knaur TB

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Er kam ganz plötzlich: dieser unberechenbare Wellengang in Felix Kopf, der ihn vollends erfasst und seine Erinnerungen durcheinanderwirbelt wie in einer Waschtrommel. Plötzlich herrscht in seinem Kopf Unruhe. Erinnerungen kommen und gehen wie Ebbe und Flut. Er kann sie nicht festhalten.

Felix ist 70 Jahre alt, als ihm das passiert. Ganz heimtückisch überkommt sie ihn, die Krankheit Alzheimer, und macht aus dem sonst so selbstbewussten Mann einen unsicheren und unkontrollierbaren Zeitgenossen.

Auf einer gemeinsamen Kreuzfahrt mit Ehefrau Ellen, Tochter Judith und Enkelin Fabienne soll ihn das Meer besänftigen. Doch während Felix die Reise durchs Mittelmeer als wunderbares Abenteuer erlebt, beginnt für die drei Frauen eine Seelenreise durch tiefes Gewässer, die verborgene Emotionen zutage spült.

„Felix sah aufs Meer. (…) „Das bin ich.“, er deutete aufs Wasser. „Die Wellen sind in meinem Kopf. Alles ist da. Alles. Aber es bewegt sich. Ich kann es nicht festhalten.“

Zitat, Seite 36

Es sind Tage zwischen Ebbe und Flut, die Carin Müller in ihrem gleichnamigen Roman präsentiert. Ein unkontrollierter Seegang, der uns durch das Krankheitsbild der Volkskrankheit Alzheimer spült und uns Momente voller Höhen und Tiefen beschert.

Romane mit dieser Thematik gibts mittlerweile wie Sand am Meer. Was Müllers Roman jedoch von den anderen unterscheidet, ist der Schauplatz. Während sich z.B. Colemans Protagonistin in „Einfach unvergesslich“ in ihrem vertrauten Umfeld bewegt, verlässt Müllers Protagonist sein gewohntes Terrain: das Meer dient als Setting.

Was daraus entsteht, ist eine emotionale Seelenreise für alle Beteiligten. Denn nicht nur Felix wird von den wogenden Wellen des Meeres erfasst, sondern auch seine Begleiterinnen. Das familiäre Chaos ist vorprogrammiert.

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„Seine Gedanken waren klar und durchsichtig wie Wasser. Dass sie in seinem Kopf wogten wie Wellen, machte ihm hier nicht zu schaffen. Er hatte gar nicht mehr das Bedürfnis, einen davon festzuhalten oder zu verfolgen, sondern ließ es einfach zu. Und das tat so gut. Ganz diffus, irgendwo weit weg, war die Trauer, die sonst sein ständiger Begleiter war. Die Trauer um den wortgewaltigen, witzigen Mann, der mit Eloquenz und Charme seine Umgebung betört hatte. Das war mit einem Mal nicht mehr wichtig, denn dieser Mann war nur Fassade gewesen. Jetzt war er einfach nur er selbst.“

Zitat, Seite 177

Felix erlebt auf der Reise Momente völliger Klarheit. Mit der Kreuzfahrt geht für ihn ein langgehegter Herzenswunsch in Erfüllung. Er ignoriert die ständigen Rangeleien von Ehefrau und Tochter, überrascht sie mit liebevollen Gesten und Momentaufnahmen aus der Vergangenheit. Doch zu Felix guten Momenten gesellen sich auch jede Menge schlechte: er wird von plötzlich auftretenden Gedächtnislücken, Unsicherheit und Verärgerung heimgesucht, reagiert oft wie ein trotziges Kind. Sein schwer kontrollierbares Wesen wird zu einer Geduldsprobe. Vor Allem, als er von heute auf morgen verschwindet und auf einem benachbarten Kreuzfahrtschiff als blinder Passagier auftaucht.

„Wie schrecklich muss das sein, wenn der geliebte Partner Stück für Stück verschwindet und nur noch eine leere Hülle bleibt? (…) Im Grunde ist das alles Trauer am lebenden Objekt, denn meinen Vater gibt’s schon lange nicht mehr.“

Zitat, Seite 127

Ellen, die von Felix steigender Demenz am Meisten betroffen ist, wirkt völlig hilflos. Ihr Nervenkostüm ist dünn, sie ist leicht reizbar und kompensiert ihre Hilflosigkeit mit Wortkargheit und Großschnauzigkeit, die zu unnötigen Kämpfen mit ihrer Tochter führen, die Partei für ihren Vater ergreift. Die Zankerei der Beiden wird nicht nur für das direkte Umfeld, sondern auch für den Leser nahezu unerträglich. Gerne hätte ich den lächerlichen Streitereien einen Riegel vorgeschoben und um Disziplin gebeten!

Man merkt, dass Müllers Geschichte auf eigenen Erfahrungen basiert. Die Charaktere allen voran Felix, sind liebevoll gezeichnet und das Krankheitsbild präsentiert sich so heimtückisch und unberechenbar wie im wahren Leben. Da ich im familiären Umfeld selbst schon mit den Folgen der Krankheit konfrontiert war, ist mir der schwere physische Prozess bewusst, den Betroffene und Angehörige durchleben. Demente Menschen verlieren Stück für Stück und unwiederbringlich sich selbst.

Carin Müller balanciert mit ihren Roman auf einem schmalen Grad zwischem leichten Unterhaltungsroman und dramatischer Familiengeschichte. Sie lädt ihre Leser auf eine abenteuerliche Schifffahrt durch schwieriges Fahrwasser ein, die nicht nur Verluste, sondern auch jede Menge Erkenntnisse und Chancen mit sich bringt.

„Vergessen ist eine Form von Freiheit.“

Khalil Gibran

<3 <3 <3 <3

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Kinderfreuden #5: Walgut

lesenslust über „Nick und der Wal“ von Benji Davies

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Beschreibung:

Nick lebt mit seinem Papa am Meer. Jeden Morgen fährt Nicks Papa mit seinem Fischerboot aufs Meer hinaus und kommt erst bei Sonnenuntergang wieder nach Hause.

Nick fühlt sich einsam.

Nach einer tosenden Sturmnacht, entdeckt er am Strand einen kleinen Wal. Er weiß, dass er auf dem Land nichts verloren hat und nimmt ihn kurzerhand mit nach Hause. Nick tut alles, damit sich der Wal wohlfühlt. In der Badewanne scheint er ganz in seinem Element.

Doch was wird Papa sagen, wenn er den waligen Besuch in der Wanne vorfindet?

Eckdaten

Hardcover, ab 4 Jahren

32 Seiten
284mm x 251mm
ISBN: 978-3-8489-0076-3
Übersetzt von Johanna Hohnhold

Aladin Verlag
12,95 €

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Blickwinkel aus grossen Augen

„Nick und der Wal“ ist Benji Davis erstes Bilderbuch und in meinen Augen bereits ein großer Fang. In ihm erzählt er die Geschichte von dem Jungen Nick und einem kleinen gestrandeten Wal. Eine Geschichte, die von Freundschaft, Liebe und Abschied geprägt ist und sowohl kleine als auch große Leser zu begeistern vermag. Die kleinen Leser spüren recht schnell, dass der kleine Nick sich einsam fühlt und seinen Papa vermisst, wenn der den ganzen Tag auf dem Meer herumschippert. Nur sechs Katzen leisten Nick während Papas Abwesenheit Gesellschaft.

Nick begrüßt es daher sehr, dass er nach einer stürmischen Unwetternacht einen gestrandeten Wal am Strand entdeckt. Er weiß, dass der Meeresbewohner nichts auf dem Land zu suchen hat und beschließt ihn mit nach Hause zu nehmen. Er tut sein Bestes, damit der kleine Wal sich wohlfühlt und erzählt ihm Geschichten vom Leben auf der Insel. Die Badewanne scheint ihm ideal, um den Wal bei Laune zu halten. Als der Papa nach Hause kommt und Nick und den Wal in trauter Zweisamkeit miteinander vorfindet, wird ihm schmerzlich bewusst, wie sehr er seinen Sohn durch die viele Arbeit vernachlässigt hat. Gemeinsam bringen sie ihn zurück ins Meer und Nick muss sich von seinem neuen Freund verabschieden.

Davis liebevolle Illustrationen präsentieren sich größtenteils in zurückhaltenden Farbtönen mit Konzentration auf Blau und Beige. Farbtöne, die die Farben des Meeres und Strandes widerspiegeln und sich dem waligen Protagonisten anpassen. Die Geschichte lebt größtenteils von den Bildern. Der Autor bedient sich lediglich ein paar wenigen Zeilen, die man in gut leserlicher und groß abgedruckter Schriftart auf den Seiten vorfindet. Die detailvollen Zeichnungen sind nicht nur wunderschön anzuschauen, sondern laden über die eigentliche Geschichte hinaus auch zu phantasievollen Nebengeschichten ein.

„Nick und der Wal“ ist ein herzerwärmendes Bilderbuch, dass den kleinen Entdeckern Lust aufs Meer macht. Mit seinem Werk vermittelt Davis den kleinen Lesern den Wert von Freundschaft und hilft ihnen entspannter mit Abschied umzugehen.

Ein waliger Freund strandet im heimischen Kinderzimmer.

<3 <3 <3 <3 <3

Wal

Blickwinkel aus kleinen Augen

Joschuas Urteil:

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Lieblingsfiguren der Geschichte: die Katzen, der Wal

Anzahl der Blicke: zahlreich, am Liebsten vor dem Schlafengehen

Bester Leseplatz: im kuscheligen Bett

Schlüpft in die Rolle von: einem Freund, einem Seemann

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A Single Breath..

lesenslust über „Der Sommer, in dem es zu schneien begann“ von Lucy Clarke

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„Jackson zieht sich die Mütze über die Ohren und wirft noch einen Blick auf Eva, die sich im Bett zusammengerollt hat, die Bettdecke unter das Kinn gestopft. Mit geschlossenen Augen murmelt sie schläfrig etwas vor sich hin. Geh nicht, soll das heißen. Aber er muss gehen. Er kann nicht neben ihr liegen, wenn er sich so fühlt wie in diesem Moment.“

Zitat, Seite 5

Seit Monaten plant Eva gemeinsam mit ihrem Mann dessen australische Heimat, die Insel Tasmanien, zu bereisen. Doch nur wenige Monate nach der Hochzeit wird Jackson beim Angeln von einer Welle erfasst. Man nimmt an, dass er beim Kampf mit dem tosenden Meer ertrunken ist. Eva ist verzweifelt und beschließt, sich alleine auf die Reise in Jacksons Heimat zu begeben. Sie hofft auf Trost im Kreis seiner Familie, doch was sie empfängt, ist Ablehnung und Schmerz. Auch Vater und Bruder scheinen mit dem Verlust von Jackson, der vor zwei Jahren fluchtartig das Land verlassen hat, nicht umgehen zu können.

Doch die Verzweiflung in Evas Augen und ihre unermüdliche Suche nach der Wahrheit erweicht langsam aber sicher die beiden Männer. Was sie zu erzählen haben, ist nicht das, was Eva sich erhofft hat: Sie sieht sich schon bald mit einer schockierenden Wahrheit konfrontiert, die sie zu einem schicksalhaften Sommer in der Vergangenheit führt – dem Sommer, in dem es zu schneien begann.

Quelle: Piper Verlag
Quelle: Piper Verlag

„Ihre Gedanken verlieren sich in alle möglichen Richtungen. Sie balancieren über weit voneinander entfernte Erinnerungen hinweg, graben Fetzen der Geschichte aus und kreisen unentwegt um das Wörtchen warum.“

Zitat, Seite 205

Lucy Clarke entführt uns in ihrem zweiten Roman „Der Sommer, in dem es zu schneien begann“ ins raue Tasmanien: Die australische Inselwelt mit ihren bizarren Felsküsten, atemberaubenden Landschaften und ihrer bunten Unterwasserwelt scheint dabei der perfekte Hintergrund für ihre vielschichtige Geschichte, in der Clarke uns auf eine emotionale und  atmosphärische Reise mitnimmt.

Selten packt mich die Vorfreude auf ein Buch so sehr, wie sie es bei diesem Werk getan hat. Der Roman, der schon von außen eine wahre Entdeckungsreise ist, hat mich von Anfang an für sich gewonnen. Sowohl Farbgebung und Gestaltung des Covers, als auch Titel stehen im perfekten Einklang zur Geschichte. Die blauen Wellen verkörpern das Meer, das im Roman eine zentrale Rolle spielt und der Titel trägt den Namen des schicksalhaften Ereignis, auf dem Jacksons Persönlichkeit beruht. Eine stimmungsvollere Aufmachung scheint mir nahezu unmöglich!

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Clarke erzählt ihre Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Neben dem Blick auf die verzweifelte Eva wird der Leser mit persönlichen Zeilen von Jackson konfrontiert, die uns das Gefühl vermitteln, Jackson begleite uns. Im Gegensatz zu anderen Romanen, in denen der Verlust eines Menschen im zentralen Mittelpunkt steht, präsentiert uns Clarke ein breitgefächertes Werk, das sich neben dem Leitthema auch noch mit den Themen Geschwisterliebe, familiären Zusammenhalt und der Suche nach Anerkennung auseinandersetzt.

Es geht um Enttäuschung, Wut und Verzweiflung. Um Leidenschaft, Liebe und Vergebung.

Mit Eva zeichnet Clarke eine starke Persönlichkeit, die sich auch durch den Verlust ihres Ehemannes nicht ausschließlich ihrer Trauer hingibt, sondern sich auf die Suche nach der Wahrheit macht und dabei das Land Tasmaniens in seiner ganzer Pracht entdeckt. Sie leidet still, vermeidet leidensvolle Gefühlsausbrüche und macht die Story daher nicht weinerlich, sondern emotional und ausdrucksstark.

Mit „Der Sommer, in dem es zu schneien begann“ ist Clarke ein beeindruckendes Werk gelungen, das uns nach „Die Landkarte der Liebe“ erneut mit der schicksalhaften Macht des Lebens konfrontiert. Seite um Seite beginnt das Fundament von Jacksons und Evas Liebe zu bröckeln. Der Schein von einer heilen Welt wird von einer erschreckenden Wahrheit abgetragen und zeigt uns wie unverzichtbar Ehrlichkeit und Vertrauen ist. Ein emotionales Werk, dessen Seegang mich durch alle Gefühlslagen geschaukelt und mich durch seine Bandbreite begeistert hat. Es scheint diesen Sommer unausweichlich, mit Schnee in Berührung zu kommen!

<3 <3 <3 <3 <3

„Das Leben hat die Neigung, dich auf unerwartete Pfade zu führen – und dann schaust du dich plötzlich um und fragst dich, wie, zum Teufel, du dort gelandet bist.“

Zitat, Seite 309

„Irgendwie ist es, als gäbe es diese Momente in meinem Leben – eine Art Scharniere -, an denen alles hängt, was ich als Nächstes tue. Nur dass ich mich dann immer für das Falsche entscheide“

Zitat, Seite 363

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Mein <3 – licher Dank gilt dem Piper Verlag, der mir diesen Roman bei seiner Book Up Veranstaltung in eine randvolle Tüte voller Buchentdeckungen gesteckt und mein Leben damit um ein paar atmosphärische Lesemomente bereichert hat.

Seelenfeuer

lesenslust über „Ich bin gleich da“ von Anne Köhler

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„Schweigen floss durch die gesamte Länge des Telefonkabels, über sechshundert Kilometer Ungesagtes in der Leitung zwischen ihnen, Elsa spürte, wie es aus dem Hörer drang, ihre Wange streifte und sich im Zimmer verteilte, den Sauerstoff verdrängte.“

Zitat, Seite 68

Es ist die Nacht des Maifeuers, in der Elsa ihren Vater für immer verliert. Als Jost in einem Moment von Elsas Abwesenheit einen Herzinfarkt erleidet und stirbt, hinterlässt er eine verunsicherte Tochter voller Schuldgefühle. Von da an kreisen ihre Gedanken um diese eine Nacht. Nichts ist mehr wie vorher. Die Mutter ist fortan ein Wrack, wirkt nur noch wie ein Schatten ihrer Selbst. Der Bruder, distanziert und stets auf Konfrontation mit Elsa. Ein unangenehmes Schweigen gewinnt die Oberhand in der Familie.

Langsam aber sicher beginnt Elsa zu fliehen, entfernt sich Stück für Stück von ihrem alten Leben und versucht die Schatten der Vergangenheit abzustreifen, die ihr Nacht für Nacht den Schlaf rauben. Im hitzigen Alltag als Köchin gelingt es Elsa ihre Sorgen für eine Weile zu vergessen. Hier versteckt sie sich vor der restlichen Welt, nutzt jeden Moment der Arbeit um sich an routinierte Arbeitsabläufe zu klammern, die ihr notwendigen Halt schenken.

Doch Elsa bleibt rastlos und will ans Meer. Eine undefinierbare Sehnsucht ergreift sie. Am Meer erhofft sie sich einen Neuanfang. Ihr Vater meinte immer, dort lösen sich alle Probleme auf. Doch die erhoffte Erlösung bleibt aus. Es ist vielmehr ein 5-Gänge-Menü auf der Durchreise, das in ihr die Sehnsucht nach dem Kochen auf hohem Niveau endgültig weckt, das sie während ihrer Ausbildung kennengelernt und danach aus den Augen verloren hat. Im Hafen von Hamburg trifft sie auf die gestrandete Seele Jan und findet bei ihm Zuflucht. Plötzlich scheint alles möglich. Und noch viel mehr.

Doch ein Anruf ihres Bruders lässt Elsa jäh erwachen. Sie muss sich nun endlich ihrer Vergangenheit stellen.

„Oben Himmel, unten Holz, rundum Wasser. Die Sonne blendete, strahlte von der Meeresoberfläche zurück in die Augen. Es fehlte nicht viel und der Wind trüge sie davon. Der Himmel öffnete sich über ihr, stieß in der Ferne mit dem Wasser zusammen. Hier endete nichts, hier fing alles erst an.“

Zitat, Seite 130

Brücke 5

„Als Kind hatte Elsa geglaubt, indem sie die Augen schloss, könnte sie die ganze Welt verschwinden lassen. Nach dem Tod ihres Vaters fürchtete sie sich davor, die Augen wieder zu öffnen. (…) Sie versuchte den Prozess des Erwachens in die Länge zu ziehen, die Realität so lange wie möglich vor den geschlossenen Lidern zu lassen. Spürte das Licht auf der Haut. (…) Doch irgendwann konnte man nicht mehr anders, irgendwann musste man die Augen aufschlagen, und dann war die ganze Welt da.“

Zitat, Seite 113

Köhler ist ein sensibles Debüt gelungen. Unaufdringlich und einfühlsam erzählt sie in „Ich bin gleich da“ die Geschichte von Elsa, einer rastlosen jungen Frau, die nach dem Verlust ihres Vaters ziellos durchs Leben taumelt. Kaum 23 Jahre alt, sehnt sie sich schon nach Erlösung. Die Schuldgefühle, die sie seit dem Tod ihres Vaters verfolgen, haften an ihr wie Kletten. Weder bei ihrer Familie noch in ihren Beziehungen findet sie Trost. Nur beim Kochen gelingt es ihr abzuschalten und ganz Ella zu sein. Das grelle Licht in der Küche betäubt sie, lässt sie Zeit und Raum vergessen.

Doch das qualitativ hochwertige Kochen hat Elsa längst hinter sich gelassen. Sie ist in einem XXL-Megatempel gestrandet, in dem Quantität vor Qualität steht. Hauptsache viel für wenig Geld. Ihr Chef lebt das Motto. Der scheiß Sternegastronomie kann er nichts abgewinnen. Als es während der Arbeit zu einem Zwischenfall kommt, schmeißt Elsa die Stelle. Sie will ans Meer. Hauptsache weg von zuhause. Sie landet in Hamburg und trifft an den Landungsbrücken auf die ähnlich verlorene Seele Jan. Plötzlich ist da jemand, der sie versteht und sie bestärkt, ihre Träume zu leben. Man schenkt ihr die Möglichkeit, sich in einem Sternerestaurant zu beweisen.

Ohne es zu wissen, hat Köhler mir ein ganz persönliches Herzensbuch geschenkt. Sie vereint Dinge, die mir lieb sind: die Liebe zum Kochen, meine liebste Hansestadt und die Sehnsucht nach dem Meer. Vor diesem Hintergrund spielt sich Elsas Geschichte ab. Eine Suche nach Liebe und Geborgenheit. Eine Suche nach sich selbst.

Köhlers Zeilen sprudeln vor Lebendigkeit. Mit ihren detailreichen und atmosphärischen Beschreibungen katapultiert sie mich direkt an den Ort des Geschehens, lässt mich Zeuge von der schäbigen Arbeitsweise im XXL-Billigrestaurant werden und professionellen Sterneköchen über die Schulter schauen. Ich vernehme intensive Gerüche, Farben und Geschmäcker. Spüre, wie mir der Wind durch die Haare weht, höre die Möwen schreien und Signalhörnern der Schiffe am Hamburger Hafen tuten. Alles scheint zum Greifen nah! Plötzlich bin ich wieder mittendrin. Denke an die vertrauten Abläufe in der Küche, die für lange Zeit auch zu meinem täglichen Arbeitsablauf gehörten und an die vielen Momente am Hamburger Hafen. Hamburg, meine Perle!

Liebevoll zeichnet Köhler ihre Figuren, erweckt nicht nur Elsa sondern auch all die Nebenfiguren der Geschichte zum Leben. Versorgt uns mit kleinen Details, liebevolle Gesten und verlorenen Blicken. Köhlers Botschaft scheint ganz klar: Weglaufen ist keine Lösung. Nur wenn man sich seiner Vergangenheit stellt, kann man in der Gegenwart ankommen.

Leben.

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