Ein neuer Himmel..

lesenslust über „Morgen kommt ein neuer Himmel“ von Lori Nelson Spielman

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„Wer nach außen schaut, träumt; wer nach innen schaut, erwacht.“

Carl Gustav Jung

Mit 14 Jahren hatte Brett noch eine genau Vorstellung vom Leben. Idealistisch verfasste sie eine Liste mit persönlichen Lebenszielen.  Heute, zwanzig Jahre später, hat sie die Liste längst vergessen und lebt ein Leben fernab ihrer alten Träume. Sie hat einen erfolgreichen Freund, einen sicheren Job und lebt in einer schicken Wohnung. Was sollte sie sich schon mehr vom Leben wünschen?

Doch als Bretts Mutter Elizabeth stirbt, bricht für sie eine Welt zusammen. Plötzlich fehlt ihr die Konstante im Leben, die ihre Mutter für sie war. Als Elizabeths Testament verlesen wird, und Brett vorerst leer ausgeht, versteht sie die Welt nicht mehr. Was ihre Mutter ihr hinterlässt, ist vielmehr eine alte Liste mit Lebenszielen, die sie aus dem Mülleimer gefischt und seitdem für ihre Tochter aufgehoben hat. In einem liebevollen Brief macht Elizabeth die Erfüllung zehn verbleibender Lebensziele zur Bedingung, dass auch Brett ihr Erbe erhält. Und das in einem Zeitraum von einem Jahr. Ein schlechter Scherz?

Brett ist entsetzt: Was soll sie mit 34 Jahren schon von den Träumen einer Vierzehnjährigen halten? Ein Pferd kaufen, sich in den richtigen verlieben und ein Kind bekommen scheinen längst nicht mehr von Bedeutung für Brett. Doch als sie sich trotzig dazu entscheidet, den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen, macht sie eine überraschende Entdeckung… 

„Ich schaue aus dem Fenster und versetze mich zurück in eine andere Zeit, eine Zeit, als ich mutig und furchtlos war, überzeugt, dass meine Träume Wirklichkeit werden würden. Aber dann kam es, wie es kommen musste: Ich lernte, dass sich nicht alles nur um mich dreht.“

Zitat, Seite 79

Die Träume eines 14-jährigen Mädchens sind in erster Linie sicherlich nicht mit den Träumen einer 34-jähigen Frau, die mitten im Leben steht und eigentlich längst wissen sollte, was sie vom Leben erwartet, gleichzusetzen. Das Testament ihrer Mutter und die darin festgehaltene Bedingung für Bretts Erbe, irritiert daher nicht nur Brett, sondern auch den Leser. Brett, die seit Jahren im millionenschweren Familienunternehmen Bohlinger Cosmetics arbeitet, kann es nicht fassen, dass ihre Mutter nicht ihr, sondern der Schwägerin Catherine die Firma hinterlässt. Eine Fehlentscheidung oder ein bewusster Schritt der Mutter?

Was soll Brett schon mit einer lächerlichen Liste mit Lebenszielen anfangen, deren Wünsche längst keine Bedeutung mehr für sie zu haben scheinen? Doch als sie sich, anfangs enttäuscht und widerwillig, an die Abarbeitung der verbleibenden zehn Lebensziele ihrer Liste macht, stellt sie fest, dass es nicht die Wünsche sind, die mit ihrem Leben nichts mehr gemein zu haben scheinen, sondern vielmehr ihr Leben mit ihren wahren Wünschen.

„Stimmengemurmel dringt durch das Treppenhaus hinauf, undeutlich, irritierend, fern. Mit zitternden Händen schließe ich die Tür hinter mir. Die Welt verstummt. Ich lehne den Kopf gegen die Tür und atme tief ein. Das Zimmer riecht noch immer nach ihr – nach Eau d´Hadrien und Ziegenmilchseife. Das Eisenbett quietscht leise, als ich mich darauf lege. Ein Geräusch, so beruhigend wie das Klirren ihres Windspiels im Garten oder der Klang ihrer sanften Stimme, wenn sie mit sagte, wie lieb sie mich hat.“

Zitat, Seite 9

Lori Nelson Spielman erzählt in ihrem ersten Roman die Geschichte einer trauernden Tochter, die mit dem Tod ihrer geliebten Mutter die einzig wahre Konstante in ihrem Leben verliert. Verzweifelt und hilflos streift sie umher, wirkt neben ihren gefassten Brüdern wie ein Häufchen Elend und alles andere als eine gefestigte selbstbewusste Frau. Durch die Liste und der zur erfolgreichen Erbschaft notwendigen Erfüllung schickt Elizabeth ihre Tochter auf eine Mission. Sie lautet: das Leben am Kragen packen und es umkrempeln. Der Mutter scheint über die Jahre längst klar geworden, dass ihre Tochter ein Leben führt, dass sie nicht wirklich glücklich macht. Jeglicher Luxus ist eben nicht dem wahren Glück gleichzusetzen, das durch Freundschaft, Liebe oder Aufmerksamkeit entsteht. Man kann es nicht kaufen. Da hilft auch keine Rolex ums Handgelenk, ein erfolgreicher Anwalt als Freund oder ein schicker BMW vor der Haustür.

Kein Wunder, dass meine Mutter mich zwingen wollte, andere Wege einzuschlagen, runter von der oberflächlichen, schnelllebigen Autobahn, über die ich raste. Der Weg, den ich jetzt nehme, ist vielleicht langsamer und die Landschaft nicht annähernd so spektakulär, aber zum ersten Mal seit Jahren macht mir das Fahren Spaß.

Zitat, Seite 257/258

Ihr Weg schickt Brett auf fremdes Terrain: Auf holprigen und steinigen Trampelpfaden ohne jegliche Sicherheit erkennt Brett plötzlich, was das wahre Leben ausmacht. Sie lernt Stadtteile und Menschen unterschiedlichster Schichten kennen, schließt Freundschaften und lässt alte wieder aufleben, entdeckt Familiengeheimnisse und Leidenschaften ihrer Mutter, mietet sich eine kleine bescheidene Wohnung und erfreut sich an einem drolligen Vierbeiner an ihrer Seite. Oft gerät sie ins Schlingern, will aufgeben, scheint entmutigt und hilflos. Doch ihre Loyalität und Liebe zur Mutter schenken ihr die nötige Konsequenz.

Wie Puzzleteile setzen sich die Ereignisse in Bretts Leben zusammen wie alte Freunde. Insgesamt wirkt alles sehr durchdacht. So scheinen selbst oberflächliche Begegnungen später von zentraler Bedeutung zu werden, andere wiederum erzählen alleinstehende Geschichten, jedoch immer mit dem Bezug zur Protagonistin. Was mir während des Romans sehr gut gefallen hat, war die herzliche, fast mütterliche Atmosphäre, die sicherlich durch Elizabeths Briefe hervorgerufen wurden. Mit dem Erfüllen eines jeden Ziels erhält Brett eine neuen Brief und somit eine Botschaft der Mutter. Es schien fast so, als spreche die Mutter noch immer zu ihr.

Der Grundgedanke der Geschichte ist gut, die Umsetzung süß. Doch manche Dinge wirkten auf mich unvollendet oder übertrieben. Kein Mensch erledigt die Ziele: ein Kind bekommen, sich in den richtigen verlieben oder ein Haus kaufen, innerhalb eines Jahres. Schon gar nicht, wenn neben ihnen noch sieben weitere Ziele auf ihre Vollendung warten. Die Bedingung, zehn Lebensziele innerhalb eines Jahres abzuhaken, finde ich daher etwas albern und unrealistisch. Ansonsten verlor die Geschichte nie an Authentizität, wirkte weder schnulzig noch an den Haaren herbeigezogen.

Als Lori Nelson Spielman, die Autorin, eine längst in Vergessenheit geratene Liste mit ihren Lebenszielen in einer kleinen, alten Zedernholzschachtel aus ihrer Schulzeit findet, wird die Idee zu einem Roman geboren. „Morgen kommt ein neuer Himmel“ ist das Ergebnis. Im Nachhinein ist klar, dass der Roman einige Parallelen zum Leben Spielmans aufweist und dadurch sicherlich biografisch angehaucht ist.

<3 <3 <3 <3

2 Kommentare zu „Ein neuer Himmel..

    1. Ich glaub, das hat daran gelegen, dass es mich zu sehr an ein anderes Buch erinnert hat. Die Ideen wirkten irgendwie wie geklaut. Nun ja, nicht ganz, aber mir war so, als begegnete mir das nicht ganz so innovativ, wie viele es betrachteten. Aber gut war es dennoch. Ich habe es gern gelesen. ;-)

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